Alleinerziehend in der Pflege: „Ich habe nur Gute Nacht gesagt“

Pflegekraft Janina im Kasack
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Die 36-jährige Janina ist alleinerziehend und hat bis Ende Mai als Pflegehelferin gearbeitet. Geldsorgen und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sind ihr ständiger Begleiter. Ihre fast 16-jährige Tochter muss seit Jahren nach der Schule alleine zurechtkommen. Keiner da, der unterstützen kann – und Janina arbeitet im Schichtdienst. Dazu reiht sich ein weiteres Problem: Die gebürtige Nordrhein-Westfälin ist seit Jahren in der Pflege tätig, hat aber nie eine Ausbildung gemacht. Ihr Plan war, ab April 2023 die Ausbildung zur Pflegefachfrau anzutreten – nur leider wurde daraus nichts. Jetzt hängt sie wieder in der Schwebe.

Über Umwege in die Pflege

Seit 2014 schlagen sich Janina und ihre Tochter zu zweit durch den Alltag. Die Trennung vom Vater war traumatisch. Als Janinas Tochter sieben ist, geht es von Ostfriesland ins Sauerland nach Iserlohn (NRW), wo Janina geboren wurde. Alles auf Neuanfang. Auch beruflich möchte sich Janina umorientieren und macht eine Schulung zur Betreuungsassistentin für demenzkranke Menschen. Anfangs betreute sie ältere Menschen zu Hause, dann ließen die Aufträge nach. So bleibt ihr nur noch die Option, auf 450 Euro-Basis zu arbeiten – als Alleinerziehende nicht möglich. 

Keine leichte Zeit, aber Pflege bleibt Janinas Leidenschaft

Es folgt drei Jahre lang eine Anstellung als Hauswirtschafterin im Altenheim, der Kontakt zu den Menschen gibt Janina viel, macht ihr Spaß. Insgeheim war er aber immer da: Der Wunsch, wieder in der direkten Betreuung zu arbeiten. Als dann aber die Heimleitung wechselt, fasst sich Janina ein Herz nach dem Motto: Wenn nicht jetzt, wann dann. Der Leiter ist begeistert von ihrer Anfrage, stimmt ihr sogar zu, dass sie nicht in die Küche gehört. Aber auch hier bahnt sich ein Umweg an: Janina verlässt die Küche, wird sogar kurzzeitig stellvertretende Leiterin des sozialen Dienstes. Sie ist wieder da, wo sie sich wohl fühlt: in der aktiven Pflege.

Unterstützung in Aussicht aber: Pustekuchen!

Nun ist die Motivation wieder da: Janina möchte eine Ausbildung zur Pflegefachfrau ab April 2023 starten. Es gibt aber ein Problem: Die Ausbildung wird nur mit 900 Euro im Monat vergütet und geht über drei Jahre. Das kann sie sich als alleinerziehende Mutter nicht leisten – sie benötigt Unterstützung.

Ihr potenzieller neuer Ausbilder weist sie auf die Möglichkeit hin, das Qualifizierungschancengesetz zu nutzen. Damit könnte sie ihr Ausbildungsgehalt aufstocken. Bis zu ihrem Ausbildungsbeginn arbeitet Janina dann in der Geriatrie und wird von ihrem Team vor Ort ausführlich eingewiesen. „Da wurde ich richtig ins kalte Wasser geworfen und hab dann Vollgas gegeben. Ich habe mitgeholfen, war super integriert und habe viel gelernt“, berichtet Janina. Dann kommt der Dämpfer: Ihr Ausbilder besitzt nicht die nötige Zertifizierung und ist gar nicht als Partner zum Qualifizierungschancengesetz zugelassen. „Von 900 Euro können wir nicht leben. Wenn das nicht aufgestockt wird, dann hat man kaum eine Chance.“ Das Krankenhaus verlängert ihren Vertrag noch um zwei Monate, sodass sie bis Ende Mai dort in der Pflege helfen kann. Weiter beschäftigen können sie Janina aber nicht, sie besitzt schließlich keine Ausbildung. Ein echter Teufelskreis. Ihr Team setzte sich damals stark für sie ein. „Sie meinten: ‚Das geht gar nicht! Wir brauchen dich hier!’“ Unverständnis macht sich auch auf ihrer Seite breit. Warum wird auf die Ausbildung gepocht, wenn sie doch schon alles kann?

Selbstständig mit 10 Jahren, weil es nicht anders geht

Neben den Geldsorgen hat Janina auch damit zu kämpfen, immer für ihre Tochter da sein zu können. „Sie macht das mit, seitdem sie zehn ist, weil ich schon im Altenheim in Schichten gearbeitet habe.“ Keine gemeinsamen Feiertage, kein Wochenende, keine geregelten Arbeitszeiten – das ist schwer für die beiden. Verwandtschaft gibt es keine in der nahen Umgebung, die helfen können. Aber Janina ist sehr stolz auf ihre Tochter, die schon lange einen eigenen Schlüssel hat und sich oft selbst versorgt. Gemeinsam werden sie auch diese Hürde meistern. 

Ein bekanntes Problem: Janina ist nicht allein

Janinas Kolleg*innen kennen das Problem: Sie haben größtenteils erwachsene Kinder, konnten aber früher immer auf die Großeltern als Unterstützung zählen. Ein junger Kollege war ebenfalls alleinerziehend, hatte gerade seine Ausbildung abgeschlossen und wäre auch ohne die Hilfe seiner Eltern aufgeschmissen. Er arbeitete auf 75%-Basis, um auch Zeit für sich und sein Kind haben zu können. Dazu kommen die nicht gerade kinderfreundlichen Dienstzeiten. Wenn wieder Personalmangel war, seien auch Kolleg*innen gefragt worden, ob sie einspringen könnten, die in Teilzeit gearbeitet haben und Kinder hatten. „Das war dann teilweise echt schwierig, weil die Eltern nicht wussten, ob und wie sie Nein sagen sollten. Die Stationsleitung wusste ja eigentlich, dass sie in der Zeit nicht arbeiten können.“, so Janina. 

„Es muss sich unbedingt etwas ändern“ – nur was?

Am besten hat Janina bisher im Krankenhaus verdient, weil sie als normale Pflegehelferin bezahlt wurde. „Von dem Gehalt konnte ich sehr gut leben“, sagt sie. Aber noch wichtiger als das Gehalt sei ihre Freizeit. Nur die ist leider rar bei den Schichtzeiten: „Man hat eigentlich kein Leben mehr, wenn man in der Pflege arbeitet und macht sich kaputt, weil man für Fünf arbeitet. Das muss sich dringend ändern!“

Janina hat am eigenen Leibe erfahren, was noch alles in der Pflege schief läuft und betont, dass dringend Veränderungen nötig sind. Sie wünscht sich finanzielle Unterstützung für Alleinerziehende und Quereinsteigende sowie eine erleichterte Zertifizierung für Bildungsträger. Mehr Mitspracherecht beim Ausbildungsplan und betriebsinterne Kitas für junge Eltern sind weitere Verbesserungsvorschläge. „Ich hatte null Mitspracherecht beim Ausbildungsplan und hätte nur ein einziges Mal in drei Jahren mit meiner Tochter zusammen Ferien machen können“, erklärt sie verärgert. Auch flexiblere Arbeitszeitmodelle sind für sie besonders wichtig, um den individuellen Lebensumständen gerecht zu werden. Als alleinerziehende Mutter fordert sie eine bessere Vereinbarkeit von Job und Familie.

Was könnte Alleinerziehenden in der Pflege helfen?

Ausblick: „Mir geht der Arsch auf Grundeis“

Noch bis Mitte Oktober bezieht Janina jetzt erstmal Arbeitslosengeld I. Danach fließt kein Geld mehr. „Deswegen geht mir, auf gut Deutsch gesagt, so ein bisschen der Arsch auf Grundeis“, meint sie mit einem verzweifelten Lachen. Nachdem klar war, dass sie die Ausbildung zur Pflegefachfrau nicht machen kann, hat sie sich nach anderen Ausbildungen im sozialen Bereich umgeguckt und ist fündig geworden. Der neue Plan ist: Kinderpflege. Der Platz am Berufskolleg für die zweijährige Ausbildung ist ihr sicher. Ob sie BAföG bekommt, steht noch aus. Davon ist sie abhängig, da es sich um eine rein schulische Ausbildung handelt. Das heißt: zwei Jahre ohne Einkommen. Nebenbei arbeiten ist keine echte Option, da die Schule zu lang geht. „Wenn es kein BAföG gibt, dann hab ich keine Chance.“ Dann geht die Job-Suche wieder in eine neue Runde.

Wir drücken Janina die Daumen für ihre Zukunft in der Pflege! Wir sind sicher: Sie ist eine echte Bereicherung für die Pflege! 

**UPDATE: Endlich geht’s voran**

Endlich hat’s geklappt, ihre Standhaftigkeit hat sich gelohnt: Janina hat uns am 06. September ’23 ein Update ihrer Situation geschickt und erfreuliche Nachrichten: Sie kann nun mit einem Bildungsgutschein vom Arbeitsamt die Ausbildung Kinderpflegerin. “Macht echt Spaß bisher und die Klasse hat mich auch schon zur Klassensprecherin gewählt”, schrieb sie erfreut.

Wie schön, dass ihr Weg nun eine positive Wendung genommen hat! 🙂

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