Pflege auf der Intensivstation: Zwischen Tränen und Glücksmomenten

Pflege auf der Intensivstation
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Der Job als Pflegekraft auf der Intensivstation ist kein Zuckerschlecken. Krankenpflegerin Tabeah hat täglich damit zu kämpfen, ihre Arbeit zu schaffen und trotzdem für ihre Patient*innen da zu sein. Um diese Aufgabe zu bewältigen, braucht sie ein tolles Team, aber auch viel Engagement und Stärke. Im Interview erzählt sie uns, warum sie ihren Job so liebt und womit sie täglich zu kämpfen hat.

Mit dem FSJ auf die Intensivstation

Tabeah arbeitet seit ihrem Examen zur Gesundheits- und Krankenpflegerin im Jahr 2018 in einem Stuttgarter Krankenhaus auf der allgemein- und herzchirurgischen Intensivstation. Die 24-jährige lebt seit 6 Jahren in Stuttgart und fühlt sich hier mittlerweile pudelwohl. Auch ihre Pflegeausbildung und ein freiwilliges soziales Jahr hat sie hier gemacht. Für letzteres entschied sich die gebürtige Herrenbergerin, weil sie sich nach dem Abitur nicht sicher war, was genau sie beruflich machen möchte. Letztendlich fiel die Wahl dann auf das FSJ, welches Tabeah in einem Behindertenheim für Blinde und Sehbehinderte absolvierte. Sie selbst sagt, dass besonders diese Zeit sie stark geprägt hat: „Die Kinder und Jugendlichen auf meiner Wohngruppe waren Schwermehrfachbehindert. Fast jeder wurde dort künstlich ernährt. Es rührte mich zutiefst, als ich das erste Mal ein Kind beim Essen unterstützen durfte.“ Ihr FSJ führte Tabeah schließlich auch in die Pflege.

Nicht ohne mein Team!


Tabeah sag von sich aus ganz klar: „Mein Team ist für mich das A & O!“ Direkt nach ihrer achtwöchigen Einarbeitungszeit auf der Intensivstation begann sie, sich zu erkundigen, wer denn die Zimmer neben ihr betreut. Es bildete sich so recht schnell ein Team aus Pflegekräften, das zusammenhielt und einander half. Wenn Tabeah mal Hilfe bei Patient*innen braucht, kann sie immer auf die Unterstützung ihrer Kolleg*innen zählen und umgekehrt.

Russisch Roulette im Nachtdienst

Doch auch mit einem tollen Team läuft nicht immer alles rund. Auf der Station der Stuttgarterin gibt es für schwerkranke Patient*innen auch die Möglichkeit einer Extrakorporalen Membranoxygenierung, also für die Herzlungenmaschine. Diese Art der Versorgung bedeutet auch einen großen Pflegeaufwand – und die vorgesehene 1:1 Versorgung klappt leider nicht immer. „Das finde ich zum Teil ganz schön gefährlich“, kritisiert Tabeah die aktuelle Situation in ihrer Klinik. Schuld hat für sie dabei eben nicht ihr Arbeitgeber, sondern die Politik. „Meines Wissens hat unser Gesundheitsminister Jens Spahn für den Tagdienst einen Betreuungsschlüssel von 1:2,5 also einer Pflegekraft auf 2,5 Patienten, und im Nachtdienst einen Schlüssel von 1:3,5 – was ich als Ding der Unmöglichkeit sehe!“ Für die Pflegekraft bedeutet dieser Schlüssel ein hohes Risiko, welches schon an Russisch Roulette grenzt. Die Arbeit auf der Intensivstation bedeutet nicht nur die Betreuung der Patient*innen, sondern auch eine permanente Bereitschaft, falls ein Reanimationsalarm im gesamten Krankenhaus ausgelöst wird. In Tabeahs Fall sind das schon 783 Betten. Außerdem kann es sein, dass sie über einen Pieper in die Notaufnahme gerufen wird. Sollte ein solcher Notfall eintreten, sind genau Tabeahs 3,5 Patient*innen in der Nachtschicht alleine und müssen von Kolleg*innen betreut werden.

Pflege ist mehr als man denkt

Gerade in ihrer Anfangszeit hat die 24-jährige Pflegekraft viele Dinge erlebt, die sie nicht so einfach wegstecken konnte. Dazu zählte auch ein Erlebnis mit einer Patientin auf der gynäkologischen Station. Tabeah lernte die Patientin mit dem kugelrunden Bauch während ihrer Schicht kennen und verstand sich sofort mit ihr. „Als ich zurück ins Dienstzimmer kam, hörte ich mit halbem Ohr, wie die Ärztin zu der Pflegekraft, der ich an diesem Tag zugeteilt war sagte: ‚Das ist ein wirklich riesengroßer Tumor bei Patientin XY, sie hat vielleicht noch ein paar Monate wenn es gut läuft.‘ Mir ist erstmal die Kinnlade heruntergeklappt.“ Die lebensfrohe und junge Patientin, die also eben von Tabeah liebevoll gepflegt worden war, hatte also nicht mehr lange zu leben. „Danach musste ich erstmal an die frische Luft gehen um tief durchzuatmen.“, erzählt Tabeah.

Punktabzug für Fürsorge

Am Ende eines jeden Einsatzes auf einer Station während der Ausbildung werden die Pflegekräfte vom Team bewertet. Tabeah bekam Notenabzug, weil sie sich zu viel Zeit für ihre Patient*innen nehmen würde. Als examinierte Krankenschwester hätte sie so ihre Arbeit wohl nicht geschafft. „Das war so ein Schlag ins Gesicht, und während diesem Einsatz habe ich wirklich gehadert, ob ich die Ausbildung weiter fortsetzen soll. Wenn ich mir nicht mal die Zeit nehmen kann, mich zu einer jungen Patientin zu setzen, die gerade die Diagnose ‚Brustkrebs’ bekommen hat und in Tränen ausbricht.“

Solche Momente sind es wert


Obwohl Zeit für die Patient*innen nicht immer möglich ist und keiner vernachlässigt werden soll, nimmt sich die Intensivpflegekraft in bestimmten Situationen auch einmal Zeit für ein intensiveres Gespräch. „Ein bestimmtes Erlebnis ereignete sich erst kürzlich und ist auch sehr privat“, beginnt Tabeah. „Trotzdem möchte ich dieses Erlebnis mit anderen teilen, weil es mich so sehr berührt hat.“
Im Nachdienst wurde Tabeah einem Zimmer zugeteilt, dessen Patient an Morbus Crohn litt. Obwohl er schon länger auf der Intensivstation versorgt wurde, hatte sie ihn bisher noch nicht selbst betreut. „Bei Patient*innen mit Morbus Crohn zieht sich bei mir immer alles zusammen – denn auch mein Bruder hat diese Diagnose seit einigen Jahren.“ Die Betreuung solcher Patient*innen fällt der Pflegekraft also nicht gerade leicht. Während der Versorgung wagte die 24-jährige einen Gesprächsversuch und fragte den Patienten, wie lange er die Diagnose Morbus Crohn schon habe und erzählte ihm im Gegenzug von ihrem Bruder.

Ein echter Gänsehautmoment

„Ich hatte erst Angst, dass es nun zu persönlich war, oder gar ihn nicht interessierte, in seiner dramatischen Situation. Aber er schaute mich sehr aufmerksam an. Also erzählte ich ihm, dass es meinem Bruder soweit ganz in Ordnung geht. Und dann hob er seine Hände an, dieselben Hände, die wochenlang regungslos im Bett lagen, die auch zum Teil Hautdefekte hatten von der hohen Katecholaminzufuhr, die er erst lernen musste wieder zu bewegen. Er hob seine beiden Hände, bewegte den Daumen und sagte nur einen Satz, den ich aber nie vergessen werde. „Daumen drücken, dass es so bleibt.“

Weg mit den Klischees!

Solche Momente sind es, die den Beruf als Pflegekraft zu etwas besonderem machen. Damit die Pflege ein attraktiverer Beruf wird, sollten laut Tabeah viel mehr Menschen auf den Beruf und seine schönen Aspekte aufmerksam gemacht werden. Sie fordert: „Weg mit den veralteten Klischees! Wir machen so viel mehr als nur die Körperpflege, das Waschen, das Hintern abwischen, auf das wir aber oft ‚reduziert’ werden. Eine tolle Möglichkeit dafür sind die sozialen Netzwerke – nirgendwo sonst halten sich so viele (junge) Menschen heute auf.“

Online tauscht sich die Community aus

Auf Instagram folgt die Stuttgarterin auch Pflege-Influencer*innen wie @le_ni_fee oder @diaryofsamira und lies sich von diesen dazu motivieren, auch mal eigene Posts zum Thema Pflege zu verfassen. Inzwischen tauscht sich auch Tabeah so rege mit ihren Followern aus und ist in der Pflege-Community sehr aktiv. So trägt sie ihren Teil dazu bei, jungen Menschen die Pflege näher zu bringen. „Wir müssen uns gemeinsam für diesen wundervollen Beruf einsetzen, und nicht aufgeben bis wir am Ziel sind.“

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