Von Pflegestufe ROT zu GRÜN: Gemeinsam stark für die Pflege

Symbolbild: @Pflegestufe GRÜN: drei Personen, die auf dem Rasen sitzen und sich anlächeln, zwei Frauen und ein Mann
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Drei Pfleger*innen, ein Projekt: Matthias (Altenpfleger und Pflegewissenschaftler) Sina (Gesundheits- und Krankenpflegerin und Pflegewissenschaftlerin) und Jean (Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger*in, Feelgood-Managerin und Coachin) sind die Gesichter hinter der Kampagne „Pflegestufe GRÜN“. Ihre Mission: Lösungen für die Probleme der Pflege erarbeiten, über Wege und Mittel aufklären und das Pflegeimage aufpolieren. Bis vor ein paar Monaten stand die Ampel noch auf ROT. Jean erzählt im Interview von den Anfängen der Kampagne, den Gründen der Namensänderung und den Zukunftsplänen. 

„Pflege geht alle etwas an“

Besonders während der COVID-19-Pandemie wollten Pflegende von der Gesellschaft und Politik gehört werden und in den Austausch kommen. Außerdem mussten Gesellschaft und Politik dramatisch aufgezeigt bekommen, wie schlecht es um die Pflegebranche steht. Denn Pflege geht alle etwas an. Das dachten sich Julian Stranzky (Pflegewissenschaftler und Heilerziehungspfleger) und Matthias Menne schon vor Corona und werden 2020 aktiv: Sie starten die Kampagne „Pflegestufe ROT“ und erschaffen damit eine Mitmachplattform für Pflegekräfte, um einen öffentlichen Diskurs anzuregen und Statements zu setzen. Im Fokus stehen dabei provokante Inhalte, die Missstände in der Pflege aufdecken. „Sie wollten zeigen: Wir sind eine eigene Profession, wir werden politisch fast nicht wahrgenommen und unser Alltag ist einfach schwer“, beschreibt Jean den Anfang vor knapp drei Jahren. Gleichzeitig sollten Pflegende durch Pflegestufe ROT die Möglichkeiten haben, ihrem “Frust Dampf zu machen”. Sina war bereits seit der Gründung im Hintergrund für die Kampagne tätig, Jean kam später dazu.

„Applaus reicht nicht aus!“

Der Pflegenotstand ist und war allgegenwärtig, die Gesellschaft hat in der Pandemie für die Pflege applaudiert, aber: „Applaus reicht nicht aus und bringt keine Veränderungen. Das wollten wir zeigen“, sagt Jean.

Der Einsatz zahlt sich aus: Sie verschaffen sich Gehör, kommen ins Fernsehen und gewinnen für ihr Kampagnen-Video – das online viral gegangen ist – zahlreiche Goldpreise von renommierten Filmawards. „Wir haben es geschafft, die Themen, die Pflegekräfte bewegen, über den Tellerrand hinaus in die Gesellschaft zu tragen, damit deutlich wird, welche Missstände es gibt“, resümiert Jean stolz. Gewinnbringend sei dabei auch die Zusammenarbeit mit dem DBfK und verschiedenen Pflegewissenschaftler*innen, wie Christel Bienstein gewesen. So konnten sie die Pflege auf eine professionelle Ebene heben. Auf Instagram folgen ihnen mittlerweile knapp 16.000 Menschen.

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„Es gab ein Pflaster mit Worten, aber die Wunde ist geblieben“

Das klingt alles sehr positiv und man könnte meinen, dass mit der Arbeit von Pflegestufe ROT auch Politiker wach gerüttelt wurden, richtig? Die Aktionen blieben aber leider aus. „Jens Spahn hat nur ein Pflaster mit Worten drauf geklebt, aber die Wunde ist geblieben“, beschreibt die Feelgood-Managerin die Situation treffend metaphorisch. Der neue Gesundheitsminister Karl Lauterbach galt als Hoffnungsträger – auch Jean dachte, er könnte mehr bewegen, weil er ein Mann vom Fach ist. „Man kann nicht sagen, dass sich nichts getan hat: Es gibt die Pflegereform, es gibt die Generalistik, die Mindeslohnerhöhung“, resümiert Jean fair. Aber trotzdem hat sie den Eindruck, dass weder Spahn noch Lauterbach wirklich verstanden haben, welche grundlegenden Probleme zuerst angegangen werden müssten. „Das Dach wird immer neu gedeckt, aber das Fundament bröckelt“, beschreibt die 50-Jährige die politischen Handlungen.

Forderungen: Mehr Sichtbarkeit, mehr Kampagnen, mehr Personal

„Niemand weiß, was wir (die Pflegenden) wirklich machen“ – das sei ein großes Problem. Deswegen ist es für Jean und ihre Mitstreitenden wichtig, dass die Pflege mehr Sichtbarkeit mit all ihrer Professionalität bekommt. Sie bemängelt, dass es kaum Kampagnen seitens der Bundesregierung gibt, die junge Menschen für den Job begeistern. „Ich wünsche mir, dass wir in Schulen gehen und zwei Stunden sozialen Unterricht machen. Da müssten wir anfangen! Das fordere ich von der Politik!“ Und natürlich benötige die Pflege mehr Personal. Neben den Nachwuchskräften müssten auch Wiedereinsteiger*innen gewonnen werden. „Es gibt genug Leute, die gewillt sind, wie auch die Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen gezeigt hat. Aber dafür müssten sich die Arbeitsbedingungen ändern“, erklärt Jean. Personal aus dem Ausland zu holen sei wichtig, jedoch würden andere Onboarding-Prozesse benötigt werden. Momentan würden ausländische Fachkräfte mit Versprechungen nach Deutschland gelockt, die dann so nicht eingehalten werden. Dann wandern sie nach kurzer Zeit wieder ab. Dass das nicht nachhaltig ist, sollte der Politik eigentlich klar sein…

Ampelwechsel: Tschüss Probleme, hallo Lösung!

Zeit für Veränderung: Seit Juni 2023 leuchtet die Ampel nun in Grün – strahlend und hoffnungsvoll. Warum der Wechsel? „Durch die Pandemie haben wir auf Pflegestufe ROT viel gejammert und jammern lassen. Das war auch wichtig und gut, dass wir zusammengefasst haben, was alles schiefläuft“, beschreibt Jean. Mit Pflegestufe GRÜN möchten sie nun positiv nach vorne gucken und Lösungen für die vorherrschenden Probleme finden. „Wir möchten zeigen, dass Pflege schön ist, dass man Pflege auch in diesem System positiv denken kann.“ Für den Ampelwechsel bekommen sie gutes Feedback ihrer Follower, aber es fällt auf, dass es leichter ist, Missstände anzuprangern, als Lösungswege aufzuzeigen. Eine Veränderung gab es noch: „Julian schafft es leider zeitlich nicht mehr, wirkt aber noch im Hintergrund mit.“

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Pflegestufe GRÜN: Ziele und Pläne

Der Wechsel auf Grün ist vielversprechend, das Trio hat viel vor und möchte mit seiner Arbeit etwas bewegen. Jean beschreibt die Ziele wie folgt:

„Wir möchten…

…die Themen der Pflege wieder über den Tellerrand hinaus in die Gesellschaft tragen.“

…unserer Berufsgruppe zeigen, wie professionell sie ist und dass man sich nicht unter wert verkaufen sollte.”

…wieder Projekte fördern und Menschen mehr Sichtbarkeit verleihen, die motiviert sind und gute Ideen haben.“

…aufklären: Wofür brauche ich einen Verband? Wofür brauche ich Kammern? Welche Möglichkeiten/Berufsfelder hat man in der Pflege zu arbeiten?“

…die negative Haltung der Pflege gegenüber Verbänden, Gewerkschaften und Kammern verändern und zeigen, wie wie wichtig die Zusammenarbeit ist.”

…zeigen, warum Pflege ein geiler Beruf ist, um auch junge Menschen dafür zu begeistern.“

Ganz wichtig ist den Dreien vor allem der Input von außen. GEMEINSAM wird bei ihnen groß geschrieben, denn es soll weiterhin um die Menschen gehen, die in der Pflege tätig sind. Pflegekräfte sollen dazu motiviert werden, ihre Ideen und Lösungsvorschläge mit einzubringen, um mit Pflegestufe GRÜN gemeinsam an einer positiven Zukunft zu arbeiten. Die besten Ideen sollen auch wieder – so wie es am Ende auch bei Pflegestufe ROT war – ausgezeichnet werden. 

„Wir brauchen Berufsverbände, Institute und Pflegekammern!“

Klar ist: In der Pflege muss sich viel ändern. Dafür müsse sich die Pflege professionalisieren und Pflegekräfte aktiv werden in dem Dreiklang aus Gewerkschaften, Verbänden und Kammern. „Wenn wir eine Anlaufstelle haben wollen, um Probleme ansprechen und lösen zu können, dann brauchen wir eine Kammer“, sagt Jean klipp und klar. Nordrhein-Westfalen geht da mit positivem Beispiel voran, die Pflegekammer wird gut angenommen. Was dort besser läuft als z.B. in Niedersachsen? „Die Öffentlichkeitsarbeit”, meint Jean. Und vor allem wird noch kein Beitrag erhoben. „Die Menschen können sich erstmal angucken, wie die Kammern arbeiten und was sie machen“, erklärt sie die Vorgehensweise. Darüber hinaus findet Jean aber auch, dass es wichtig ist, dass Führungskräfte darin befähigt werden, ihre Mitarbeiter*innen über die Berufspolitik aufzuklären, z.B. in Teamsitzungen.

„Hey, hier sind wir! Gemeinsam können wir viel erreichen!“

Damit die Ziele von Pflegestufe GRÜN umgesetzt werden können, steht nun erstmal im Fokus, die Botschaft zu verbreiten. Somit zeigt sich das Trio in der nächsten Zeit auf mehreren Veranstaltungen, unter anderem auf der JOBMEDI in Essen. Wer sie sehen und ihren Themen lauschen möchte, findet sie am 29. und 30. September auf der Pflegestufe GRÜN-Bühne. Außerdem hatten sie gerade einen Dreh mit dem DBfK und haben mit der Präsidentin der Pflegekammer NRW Sandra Postel etwas geplant – was genau, bleibt noch geheim. Sie möchten sich auf jeden Fall auch dem Thema „Digitalisierung“ annehmen und mit E-Learning beschäftigen. Wir können also gespannt sein, was alles so in den nächsten Monaten auf dem Account passiert.

Wir danken Jean für das interessante Interview und den Einblick in ihre Arbeit mit Pflegestufe GRÜN und wünschen dem Trio, dass es erfolgreich auf der hoffnungsvollen Ampelphase fährt.

Quellen
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