Suizid in der Pflege: Wenn sich Kolleg*innen das Leben nehmen

Symbolbild: Suizid in der Pflege: Wenn Kolleg*innen sich das Leben nehmen: brennende Kerze vor schwarzem Hintergrund
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In der Pflegebranche, wo das Leben im Vordergrund steht, gibt es Momente, die selbst die stärksten Pflegekräfte in eine unerwartete Dunkelheit stürzen. Denkt einmal kurz darüber nach: Was würdet ihr tun, wenn ihr eine*n geschätzte*n Kollegen*in, der kurz vorher noch neben euch gearbeitet hat, plötzlich verstorben im Dienst vorfindet? Verena, eine erfahrene Pflegekraft, teilt ihre bewegenden Erfahrungen und Einblicke in diese herausfordernde Situation.

Vom Start in der Pflege bis zur Lehrtätigkeit

Verenas Reise in der Pflege erstreckt sich über einen längeren Zeitraum. Sie begann 1993 ihre Ausbildung zur Krankenschwester und arbeitete in den Bereichen Chirurgie, Intensivpflege und Neurologie. Während ihrer Elternzeit entdeckte sie ihre Leidenschaft für Hospizpflege und entschied sich, diese weiterzuverfolgen. Sie absolvierte eine spezialisierte Weiterbildung in der Palliativpflege, blieb aber auch im Krankenhaus tätig. Ihr Ziel, Praxisanleiterin zu werden, stieß auf Widerstand, aber Verena ließ sich nicht entmutigen und begann ein Hochschulstudium in Pflegewissenschaften mit Schwerpunkt Pädagogik. „Ich war bereits im Flow, habe dann auch einen Master angehängt und auch wirklich tolle Leute währenddessen kennengelernt.“ Mit dem Master in der Tasche eröffnete sich für sie eine ganz neue Chance: als Lehrerin Pflegeazubis zu unterrichten. „Aktuell arbeite ich 30 Prozent in der Palliativpflege und widme 60 Prozent meiner Zeit der Pflegeausbildung an einer Schule, in der ich verschiedene Kurse leite.“ Für Verena ist das eine tolle Kombination. „Nach fünf Jahren in zwei Berufen habe ich mittlerweile das Gefühl, an beiden Orten Zuhause zu sein. Die Patient*innen und Azubis liegen mir gleichermaßen am Herzen.”
Symbolbild: Kolleg*innen, die in der Pflege im Dienst versterben: Pflegerin Verena Seegers lächelt frontal in die Kamera und steht vor einer Wand auf der "Palliative Haltung" steht

Belastungen und Herausforderungen: Verena redet aus Erfahrung

Verena teilt nicht nur ihren beruflichen Werdegang, sondern auch tiefgreifende Einblicke in die Herausforderungen, denen sie in den letzten Jahren gegenüberstehen musste. Sie erinnert vor allem an tragische Fälle von Kolleg*innen, die unter ihren eigenen Belastungen und Suchterkrankungen litten, ohne rechtzeitig Hilfe erhalten zu haben. „Bei einem Kollegen war das Alkoholproblem tatsächlich bekannt, jedoch existierte das in einem weitaus größeren Ausmaß als angenommen. Dass er sich auf einmal an einem normalen Tag in einem Park das Leben nimmt, damit hätte niemand gerechnet. Mich hat das zutiefst schockiert und solche Fälle habe ich in meinen 30 Jahren Berufserfahrung leider mehrfach erleben müssen.“

Ein weiteres erschütterndes Erlebnis betrifft eine Kollegin, die tot in der Umkleidekabine der Klinik aufgefunden wurde, was für Verena ebenfalls ein großer Schock war: „Das hat mich total mitgenommen und berührt. Ich habe mir wirklich gedacht, das kann doch nicht sein. Gerade Menschen, die viel helfen und sich engagieren – dass die dann plötzlich Entscheidungen treffen, die so irreversibel sind, ist einfach traurig und schockierend.“

Suizid unter Kolleg*innen: Wie geht man mit so einer Situation um?

Verena ist sich der Schwierigkeiten bewusst, die mit der Bewältigung einer derartigen Situation einhergehen können. Aus eigener Erfahrung heraus betont sie vor allem die wichtige Bedeutung der Zulassung von Trauerphasen und die Kommunikation innerhalb des Kollegiums: „Das Wichtigste ist, diese Trauerphasen zuzulassen. Es ist völlig normal und menschlich, so zu reagieren. Wir sollten uns erlauben, diese Gefühle anzusprechen und sie innerhalb des Teams zu teilen, einander zu unterstützen und beizustehen. Denn wenn sich jemand innerhalb des Kollegiums einfach so das Leben nimmt, dann betrifft es eben jeden im Team.“ Dabei bezieht sich Verena nicht nur auf den Verlust von Kolleg*innen, sondern auch auf den Verlust von Patient*innen, die einem möglicherweise nahestanden und die man über einen längeren Zeitraum betreut hat. „Es ist auch in Ordnung, als Pflegekraft mit den Angehörigen gemeinsam zu weinen. Man sollte seine Gefühle zulassen und nicht einfach unterdrücken.“

Trauerbewältigung und Sensibilisierung

Nachdem Verena in den letzten Jahren mit mehreren tragischen Fällen konfrontiert wurde, ist es für sie von großer Bedeutung, solche Situationen, die bedauerlicherweise Teil des beruflichen Alltags geworden sind, in den Lehrplan zu integrieren. „Die Auszubildenden müssen für solche Themen sensibilisiert, aufgeklärt und darauf aufmerksam gemacht werden, da sie während ihrer beruflichen Laufbahn selbst solchen Situationen ausgesetzt sind. Es ist entscheidend, dass sie erkennen, dass sie nicht allein sind, sich austauschen können und auch ihre Trauer zulassen können.“ Laut Verena gibt es kein Geheimrezept, wie man mit dem Verlust von Kolleg*innen oder Patient*innen umgehen sollte, aber Mitgefühl, Trauer und die gegenseitige Unterstützung seien die Schlüsselkomponenten in der Pflege. „Wir müssen aufmerksam sein und aufeinander Acht geben, um tragische Verluste von Kolleg*innen, die aufgrund von Suizid auftreten, zu verhindern. Denn wir sind nicht nur Pflegekräfte, sondern auch Menschen. Und jeder Mensch hat sein Päckchen zu tragen.”

Wir danken Verena für ihren Mut, uns von diesen tragischen Erlebnissen erzählt zu haben und für das interessante Interview und wünschen ihr für die Zukunft alles Gute!

SOS: Bei Suizidgedanken oder Kummer Telefonseelsorge anrufen!

Habt ihr vielleicht sogar auch Suizidgedanken oder kennt ihr jemanden, um den ihr euch sorgt? Dann macht das nicht mit euch alleine aus, sondern holt euch Hilfe. Sprecht darüber! Wenn ihr keinen habt oder ihr euch nicht vor Freunden, der Familie, Kolleg*innen oder Bekannten öffnen könnt, wendet euch anonym an telefonische Hilfsdienste:

Symbolbild: Notrufnummern: Nummer der TelefonSeelsorge, Nummer gegen Kummer und Nummer für Angehörige um Suizid
Quellen
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