Sophie Rosentreter über Demenz: „Eines Tages schmeckte Omas Grießbrei salzig“
Sophie Rosentreter, ehemaliges Model und Fernsehmoderatorin, ist Demenzaktivistin und setzt sich dementsprechend aktiv dafür ein, Menschen über die Krankheit aufzuklären und ihre persönlichen Erfahrungen mit ihnen zu teilen. Die 46-Jährige hat auch als Redakteurin gearbeitet und produzierte unter anderem Beiträge für Stern TV und Explosiv— Das Magazin.
Als ihre Oma mit der Krankheit Demenz diagnostiziert wurde, hat sich das Leben von Rosentreter plötzlich auf den Kopf gestellt. Sie musste lernen, mit der neuen Situation umzugehen und pflegte ihre Oma Ilse gemeinsam mithilfe ihrer Mutter bis zum Tod. Im Interview gibt sie uns einen ganz persönlichen Einblick in ihr Leben und teilt ihre Erfahrungen, die sie während der Pflege ihrer Oma gemacht hat, um die Menschen für das Thema Demenz zu sensibilisieren.
Erste Berührungspunkte mit dem Thema Demenz
Die Veränderungen am Verhalten ihrer Oma, waren auch für Sophie neu, weshalb sie und ihre Familie am Anfang gar nicht gemerkt haben, dass es sich um eine demenzielle Veränderung handelt. Einundeinhalb Jahre hat es gedauert, bis sie zum Arzt gegangen sind und die Diagnose Alzheimer gestellt wurde: „Das war furchtbar. Ich wollte das nicht wahrhaben. Ich wollte einfach meine Oma zurück haben, wie sie früher war“, erzählt uns Rosentreter. Rückblickend gab es einen prägenden Moment in Sophies Leben, was eigentlich schon ein Indiz dafür war, dass es sich hierbei um eine ernst zunehmende Krankheit handelt und nicht einfach nur versehentlich passiert ist: „Meine Oma war eine fantastische Köchin und hat an einem Tag ihren köstlichen Grießbrei gemacht. Wir saßen alle am Tisch, haben zusammen gegessen und dann war dieser Grießbrei auf einmal salzig und nicht süß.“
„Hilfe annehmen ist ein Zeichen für Stärke und nicht für Schwäche“
Die Diagnose Demenz gestellt zu bekommen, ist nicht schön. Weder für erkrankte Patient*innen, noch für die pflegende Angehörige. Trotzdem müssen vor allem pflegende Angehörige Unterstützung von außen annehmen, da sie meist unerfahren sind und noch viel dazulernen müssen. „Wir dachten, dass wir das schon schaffen werden, haben den Alltag aber nicht gut gemeistert. Wir haben uns eher sozial isoliert, uns nicht sichtbar gemacht und nicht offen über unsere Situation gesprochen. Das ist nicht richtig. Wir müssen verdeutlichen, dass man nach Hilfe fragen darf und Hilfe annehmen soll“, betont Rosentreter.
Umgang mit einer dementen Person: Das ist wichtig!
Wenn ein Angehöriger mit Demenz diagnostiziert wird, dann ist das für alle Beteiligten erstmal ein Schock. Sophie empfiehlt daher direkt zum Pflegestützpunkt zu gehen oder eine Alzheimergesellschaft aufzusuchen, um sich beraten und unterstützen zu lassen. Danach ist die weitere Behandlung bei jedem unterschiedlich und gestaltet sich nach den individuellen Wünschen der Patient*innen: „Einige fangen Aktivitäten an, die sie früher gar nicht gemocht haben. Ein sehr erfolgreicher Geschäftsmann, der sich früher nie Zeit für seine Hobbys nahm, hat dann angefangen zu malen. Er hat darin seine Erfüllung gefunden und von morgens bis abends gemalt“, sagt Sophie. Des Weiteren erzählt sie, wie wichtig der gegenseitige Austausch mit anderen Betroffenen ist. So können Patient*innen erfahren, wie andere ihren Alltag meistern und schenken einander Hoffnung. „Durch die Begegnung mit anderen verliert man auch die Angst und sieht, dass das Leben noch nicht zu Ende ist und es Lebensfreude mit Demenz gibt.“
„Ich bin als Mensch gewachsen“
Sophie hat seit der Diagnose ihrer Oma viel erleben müssen. Während der Pflege ihrer Großmutter hat sie aber auch ihre Berufung gefunden und so gründete sie 2010 ihre eigene Firma „Ilses weite Welt GmbH“. Mit ihrem Unternehmen spricht sie nicht nur Betroffene sondern auch pflegende Angehörige an. Dort gibt es zum einen Filme für Menschen mit Demenz und zum anderen auch Aufklärungsfilme für pflegende Angehörige. Der neue Aufklärungsfilm „Alles anders – Wie leben mit Demenz?“ fokussiert sich auf den richtigen Umgang mit dementen Menschen, um pflegende Angehörige zu unterstützen aber auch um über das Thema aufzuklären.
Sophies Frohmut wurde erneut auf die Probe gestellt: Nach dem Tod ihrer Großmutter ist Sophies Mutter zwei Jahre später an Krebs verstorben. Auch sie hat noch bis heute unter den Geschehnissen zu leiden. Trotzdem lässt sich das Sophie nicht anmerken und geht mit einer besonders positiven Energie durchs Leben: „Die größte Stärke und Säule in meinem Leben ist die Liebe meiner Mutter und meiner Großmutter. Ich fühle mich geliebt, obwohl die beiden Frauen nicht mehr da sind. Ich spüre die Liebe in mir und die hält mich. Das Leben so zu akzeptieren, ist nicht einfach, aber machbar.“
Zukunftspläne, Wünsche und Ziele
Demenz ist für die Aktivistin ein Herzensthema, weshalb es ihr umso wichtiger ist, das Thema in der Öffentlichkeit präsent zu machen und viele Menschen aufzuklären. In naher Zukunft wird die 46-Jährige gemeinsam mit weiteren Pfleger*innen wie Jim ein Projekt starten. Dabei werden sie an Schulen gehen und über das Thema Demenz aufklären. So soll zum Einen der Pflegeberuf sichtbar gemacht werden, um zu zeigen wie vielfältig und erfüllend der Beruf sein kann und zum Anderen möchten sie Betroffene in der Schule unterstützen und stärken. Sophie unterstreicht zum Ende hin die Wichtigkeit von uns allen in der Gesellschaft: „Jeder von uns muss sich fragen, was tue ich für meine Gesellschaft, damit es ein wärmerer Ort wird. Da wünsche ich mir besonders von jungen Menschen, dass sie in die Pflege gehen und erkennen, dass die Pflege bunt, kreativ, lösungsorientiert und ganz nah am Menschen ist. Wir alle müssen erkennen, dass Themen wie Pflege, Gesundheit und Demenz uns alle betrifft.“
Sollte das Thema Demenz bereits in der Schule behandelt werden?
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Quellen:
Beitragsbild: Katrin Schöning