Sie sind umstritten und werden von Pflegekräften viel kritisiert: Die Pflegekammern in Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Rheinland-Pfalz. Inzwischen gaben zwei der Kammern dem Druck nach. Die Pflegekammer Niedersachsen ist seit dem 30.11.2021 aufgelöst. Sozial- und Gesundheitsministerin Carola Reimann (SPD) hatte das entsprechende Gesetz dafür sofort vorbereitet. Diese Entscheidung wurde aufgrund der Mitgliederbefragung geschlossen: Rund 71% der Teilnehmenden sprachen sich gegen die Pflegekammer aus.
AUFLÖSUNG AUCH IN SCHLESWIG-HOLSTEIN
Die Auflösung der Pflegekammer Schleswig-Holstein erfolgt zum 11. Dezember 2021. Im Mai 2021 wurde das Gesetz zur Auflösung der Pflegekammer vom Landtag Schleswig-Holstein beschlossen. Zwei Monate zuvor hatten 92% der teilnehmenden Kammermitglieder für eine Auflösung gestimmt. Von 23.579 Mitgliedern nahmen 17.747 an der Abstimmung teil.
NEUE PFLEGEKAMMER IN NORDRHEIN-WESTFALEN
Trotz des Scheiterns der Pflegekammern Niedersachsen und Schleswig-Holstein wird im April 2022 in Nordrhein-Westfalen eine weitere Pflegekammer eröffnet, wie Sandra Postel, Vorsitzende des Errichtungsausschusses, im November 2021 mitteilte. Die SPD in Nordrhein-Westfalen fordert jedoch eine Urabstimmung aller Pflegepersonen, da die Errichtung der Kammer bei vielen Pflegekräften auf herbe Kritik stößt. Sie sei ohne ihre Beteiligung beschlossen worden.
KEIN INTERESSE UND ZU WENIG INFORMATION
Doch nach der Veröffentlichung dieser Meldung zeigt sich: Viele Pflegekräfte wissen gar nicht, wozu eine Pflegekammer eigentlich da ist und warum sie durchaus eine gute Idee sein könnte. Auch die Umfrage macht dies deutlich. Viele haben entweder kein Interesse an dem Thema oder wissen einfach nicht Bescheid. Denn von 78.000 Stimmberechtigten füllten lediglich 15.100 Personen den Fragebogen aus. Kritik gibt es viel, doch die meiste richtet sich nur gegen den Pflichtbeitrag, den alle Pflegekräfte zahlen müssen. Was genau mit diesem Geld allerdings geplant ist, das wissen die wenigsten.
DIE PFLEGEKAMMER IST MEHR ALS NUR DER ZWANGSBEITRAG
Schuld daran hat nun leider auch die Pflegekammer selbst. Im Voraus wäre wohl eine bessere Aufklärung notwendig gewesen. Aktiv auf die Pflegekräfte zugehen – das wurde hier nicht gemacht. Das Einzige, was in den Köpfen hängen blieb, war ein Wort: Zwangsbeitrag. Das lag auch daran, dass der erste richtige Brief der Kammer an die Pflegekräfte in den meisten Fällen gleich eine Aufforderung zur Zahlung war und eine Information darüber, was die Kammer bewegen wollte. Außerdem erhielten einige eine Forderung zur Zahlung des vollen Beitrages, obwohl sie vielleicht aktuell nur in einer 50%-Stelle arbeiteten. Da ist es verständlich, dass Frustration aufkommt. In Kombination mit dem organisatorischen Chaos und diversen anderen Problemen schrieben viele die Kammer schon ab. Auch Ver.di kritisierte die Kammern öffentlich. Deshalb hat sie es auch von Anfang an schwer in Niedersachsen und in den anderen Bundesländern gehabt.
WOFÜR IST EINE PFLEGEKAMMER EIGENTLICH DA?
Doch was genau sind eigentlich die Potenziale einer Pflegekammer? Sie soll grob gesagt die Interessen der Pflegekräfte vertreten und auch eine sachgerechte und professionelle Pflege für die Bevölkerung sicherstellen. Ihre Aufgabe ist es, Pflegekräfte zu unterstützen. Denn Berufe, die durch eine Kammer vertreten werden, werden auch in der Öffentlichkeit und der Politik verstärkt wahrgenommen. Eine Kammer sorgt also für ein höheres Ansehen des Berufes, gibt klare Regelungen für Fort- und Weiterbildungen vor, berät Pflegekräfte, vergibt Lizenzen und Zertifikate und sorgt so für eine Professionalisierung und Erhöhung der Qualitätsstandards. Hier kann quasi jede Pflegekraft durch ihre Beteiligung mitdefinieren, was (gute) Pflege ist und für eine Weiterentwicklung des Berufsbildes sorgen.
Tipp: Alle Pro- und Kontra-Argumente für und gegen die Kammer hat Hashtag Gesundheit auf seiner Seite zusammengefasst. Hier der Link zum Artikel: Pflegekammer Pro & Kontra.
AUSBAU DER BUNDESWEITEN PFLEGEKAMMER GEFORDERT
Befürworter der Pflegekammern, die das Potenzial dieses Konzeptes erkennen, forderten eine bundesweite Kammer, die sich für die Pflege einsetzt. Diese sollte unabhängig, also auch durch Mitgliedsbeiträge finanziert sein, damit sie die Pflege unabhängig in Land und Bund vertreten kann. Modernes Marketing und mehr Transparenz könnten u.a. dabei helfen, dass die Akzeptanz dieser bundesweiten Kammer steigt. Die Bundespflegekammer versucht diesen Forderungen nachzukommen. 2019 fand ein Zusammenschluss der Pflegekammer Rheinland-Pfalz und der damals noch existierenden Pflegekammern Niedersachsen und Schleswig-Holstein statt. Der 1998 gegründete Pflegerat (DPR) unterstützt mit seinem berufspolitisch vernetzten Know-How die Interessen der Pflegekammern. Neue Pflegekammern, wie die 2022 geplante Pflegekammer Schleswig-Holstein, können nach ihrer Errichtung dem Zusammenschluss beitreten, wenn sie zwei Punkte einhalten: Zum einen muss ihre Mitgliederzahl muss so groß sein, dass sie den Großteil der in der Pflege Beschäftigten abdeckt. Zum anderen muss die Kammer ihre Unabhängigkeit durch Mitgliedsbeiträge gesichert haben.
Den Pflegekammern Niedersachsen und Schleswig-Holstein ist es nicht gelungen, das Sprachrohr der Pflege zu werden. Was ist Eure Meinung zu dem Konzept der Pflegekammern?
Quellen:
NDR: www.ndr.de/niedersachsen/Reimann-Pflegekammer-wird-aufgeloest
Pflegekammer Niedersachsen: www.pflegekammer-nds.de/pflege-darf-nicht-auf-stumm-geschaltet-werden
Auflösung Pflegekammer Niedersachsen: www.ms.niedersachsen.de/pflegekammer-niedersachsen
Auflösung Pflegekammer Schleswig-Holstein:
www.aerzteblatt.de/Pflegekammer
www.pflegeberufekammer-sh.de
Gründung Pflegekammer Nordrhein-Westfalen:
www.bibliomed-pflege.de/selbstverwaltung-auf-allen-ebenen-verankern
www.bibliomed-pflege.de/spd-will-urabstimmung-aller-pflegenden
Bundespflegekammer: www.pflegen-online.de/bundespflegekammer-am-start
DBFK: www.dbfk.de/de/themen/Pflegekammer.php
Hashtag Gesundheit: www.hashtag-gesundheit.de/pflegeberufekammer-pro-contra/
Instagram: www.instagram.com/einfach.jean
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