27 Mrz 2020

Klatschen für die Pflegekräfte

Klatschen für Pflegekräfte
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Zuerst in Italien und Spanien. Nun hört man das Klatschen auch in Deutschland. Bundesweit gehen die Menschen auf die Balkone und applaudieren allen Helfer*innen als Dank für ihren Einsatz während der Coronakrise. Eine lieb gemeinte Geste von denen, die nicht helfen können oder durch den Shutdown nicht helfen dürfen. Im Internet äußerten sich inzwischen viele Pflegekräfte, Ärzt*innen, Krankenschwestern und -brüder zu dem solidarischen Akt ihrer Mitmenschen. Sie sehen die Aktion mit anderen Augen.

Pflegekräfte geben ein ‚DANKE‘ zurück

Als Antwort auf den Applaus, wurden hunderte von Fotos auf den sozialen Plattformen geteilt. Darauf baten die Pfleger*innen und Ärzt*innen auch die Menschen zu Hause zu bleiben, die die Warnungen bislang nicht so ernst genommen haben. „Wir sind für euch da. Bleibt ihr für uns zu Hause!“ las man auf vielen Fotos. Ein Appell, um auch sich selbst zu schützen, denn kaum jemand ist mehr gefährdet als Pflegekräfte selbst.

Das Klatschen steht für Angst!

Die meisten Kommentare im Netz kritisieren aber den Applaus: „Hinter dem Klatschen steht meines Erachtens vor allem die Angst, die Fachkräfte könnten angesichts der Herausforderungen und schlechten Bedingungen zusammenbrechen.“
findet Geschlechterforscherin Barbara Thiessen. Denn erst jetzt, wo Mitarbeiter*innen im Gesundheits- und Pflegebereich wirklich gebraucht werden, merken die Menschen erst, wie systemrelevant diese Berufe wirklich sind. Dabei waren sie es schon immer. Doch man merkt bekanntlich immer erst dann, was man die ganze Zeit hatte, wenn man es plötzlich selbst braucht.

Der Postillon bringt es auf den Punkt

„Klasse! Ich geb einfach meinem Vermieter zwei Lobs, einen dicken Applaus und ein Danke, das ich bekommen habe, und schon sind drei Monate im Voraus gezahlt“ freut sich die 23-jährige Krankenpflegerin Anja im Satire-Newsportal. Anja ist eine fiktive Person, doch tatsächlich hat sie mit ihrer vor Ironie triefenden Aussage recht. Mit dem Applaus können sich die Pfleger*innen auch nichts kaufen. Genauso wenig, wie mit dem niedrigen Lohn, den die meisten erhalten.

Geld ist das Wahre Problem

Auch der Post des Twitter-Users Amanoman ging viral. Er kann mit Danksagungen und Merci-Pralinen ebenso nichts anfangen. „Wir Pflegekräfte brauchen keine Klatscherei. Wir wollen auch keine Merci-Schokolade und warme Worte! Wir brauchen 4000 Euro brutto, mehr Personal, Gefahrenzulagen und ein entprivatisiertes Gesundheitssystem!“ Ulrich Schneider, der Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, ist der selben Meinung. Seine Forderung: „Gebt endlich mehr Geld ins System für bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen. Das wäre echter, gerechter Dank.“

Auch der Pflegenotstand ist nichts neues

Dass es in Deutschland zu wenige Pflegekräfte gibt, ist bereits seit Langem bekannt. Nur hat sich die Politik nie genug mit dem Thema beschäftigt und nun merkt ganz Deutschland das Ausmaß dessen. Falkner fordert in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung, dass die Arbeitsbedingungen drastisch verbessert werden. In den letzten Jahren haben sich ca. 200.000 ausgebildete Fachkräfte gegen ihren erlernten Beruf entschieden. Und auch die Rekrutierung von neuen Pflegekräften wird immer schwieriger, wenn der Arbeit im Pflege- und Gesundheitsbereich weiterhin so wenig Aufmerksamkeit geschenkt würde.

„Der Applaus schmeckt schal. Seit Jahrzehnten hat man unsere Forderungen, die der Pflegenden, ignoriert, weggedrückt, abgetan. Dass die Zustände immer schlechter werden, dass die Arbeitsbedingungen beschissen sind, ist bekannt – und das schon seit unfassbar langer Zeit. Aber wen kümmert es?“

Trotzdem dankbar

Auch wenn die Kommentare allesamt hart klingen, dankbar sind die Pflegekräfte für die Anerkennung trotzdem. Nur reicht das eben nicht immer. „Es mag für den einen oder anderen vielleicht ein bisschen unverschämt wirken, jetzt in der Situation auch noch nach Geld zu schreien. Aber wir sind vom Grundstock her schon schlecht bezahlt, jetzt wird uns wirklich unheimlich viel abverlangt, auch dass wir unheimlich flexibel sind, was natürlich im privaten Umfeld auch Auswirkungen hat. Es reicht halt nicht, einfach nur zu klatschen.“ So ein Twitter-User.

Die Ablehnung gegen das Klatschen geht hierbei weniger an das Volk, als an die Politiker*innen. Nur die Politik ist dazu fähig, Mindestlöhne höher und angebrachter anzusetzen. Die Arbeitsbedingungen im allgemeinen zu verbessern und viel mehr darauf zu achten, was Pflegekräfte, Ärzt*innen, Krankenschwestern und -brüder zu sagen haben, ist ihre Aufgabe. Die Anerkennung und Wertschätzung allerdings sollte mit dem Ende des Corona-Virus nicht aufhören, sondern im Gegenteil, noch viel mehr wachsen.

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