Die Sturzprophylaxe – Die wichtigsten Tipps und größten Sturzgefahren

Eine ältere Frau mit grauen Haaren sitzt auf dem Boden eines Wohnzimmers und hält sich den Kopf, als hätte sie sich beim Sturz verletzt. Neben ihr liegen eine zerbrochene Brille und ein Gehstock. Im Hintergrund ist ein blaues Sofa und ein Fenster mit Pflanzen auf der Fensterbank zu sehen.
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Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit reicht meistens aus, schon kommt es zu einem Sturz, meist mit schwerwiegenden negativen Folgen sowohl für Patient*innen als auch für dich. Um das Sturzrisiko zu vermindern, genügen allerdings schon ein paar einfache Maßnahmen: Hierfür gibt es in Deutschland den Expert*innenstandard „Sturzprophylaxe in der Pflege“, auch „Expert*innennstandard Sturz“ genannt. Dieser dient, wie der Name schon verrät, als Vorbeugungsmaßnahme. Ziel ist es, das Sturzrisiko und die negativen Folgen für deine Bewohner*innen zu minimieren.

Die schwerwiegenden Folgen von Stürzen

Einheitliche, von Expert*innen konzipierte Standards, sind deshalb so wichtig, weil die Folgen von Stürzen bei Betroffenen gravierend sein können: Laut einer Studie aus den Jahren 2001 bis 2004 erlitten 11,9 % der Gestürzten eine schwere Verletzung. Stürze können bei eigentlich gesunden Menschen sogar zur Pflegeabhängigkeit, bei Pflegebedürftigen zu einem erhöhten Pflegegrad oder im schlimmsten Fall zu tödlichen Verletzungen führen. Häufig unterschätzt, aber ebenfalls schwerwiegend, sind die psychologischen Folgen:

– Die Angst vor weiteren Stürzen
– Die Immobilität der Patient*innen (Post-Fall-Syndrom)
– Der Muskelabbau -> Ein erhöhtes Risiko für einen erneuten Sturz

Expert*innenstandards – Prävention mit System

Verantwortlich für den Expert*innenstandard sind das Deutsche Netzwerk für Qualitätsentwicklung in der Pflege (DNQP) und das Kuratorium Deutsche Altershilfe. Der Expert*innenstandard gilt nicht nur für Stürze, sondern für viele andere Probleme, wie beispielsweise Dekubitus, Inkontinenz oder Mundgesundheit. Erstmals erschien der Expert*innenstandard Sturzprophylaxe im Februar 2006. Es folgten Aktualisierungen mit zusätzlichen Schutzmaßnahmen im Januar 2013 und im Oktober 2022.

Der Expert*innenstandard definiert den Sturz als jedes Ereignis, bei welchem die betroffene Person unbeabsichtigt auf dem Boden oder auf einer anderen tieferen Ebene aufkommt. Auch Stürze im Sitzen oder im Hocken zählen also dazu. Die Zahlen zur Häufigkeit von Stürzen variieren je nach Einrichtung: Das Institut für Medizin-/Pflegepädagogik und Pflegewissenschaft der Medizinischen Fakultät der Berliner Charité berichtet, dass etwa 50 % der Pflegeheimbewohner*innen mindestens einmal pro Jahr stürzen. In Kliniken liege die Sturzhäufigkeit – abhängig vom Fachbereich – bei drei bis 37 %.

Die häufigsten Sturzursachen – Darauf müssen du und dein Pflegeteam achten!

Der Expert*innenstandard beschreibt bestimmte Sturzrisikofaktoren, auf die Pflegekräfte besonders achten müssen. Dazu gehören neben der Sturz- und Frakturvorgeschichte sowie der Sturzangst folgende drei Hauptgruppen:

Personenbezogene Risikofaktoren:
Eingeschränkte Balance, Mobilität, Sinneswahrnehmung, kognitive Beeinträchtigungen und Sehschwäche erhöhen das Risiko erheblich. Schau also regelmäßig in die Patient*innenakte der Pflegebedürftigen.

Medikationsbezogene Sturzrisikofaktoren:
Psychotrope Medikamente können Benommenheit und Schläfrigkeit auslösen. Polypharmazie – also die Einnahme von fünf oder mehr Arzneien – birgt die Gefahr unerwünschter Wechselwirkungen (z. B. Schwindel, Blutdruckabfall). Auch Antihypertensiva (blutdrucksenkende Mittel) gelten als Risikofaktoren, da sie zu Müdigkeit und Kreislaufsymptomen führen können. Achte also darauf, welchen Einfluss unterschiedliche Medikamente in Kombination miteinander haben können. Bedenke ebenfalls, dass ältere Menschen einen langsameren Stoffwechsel haben und Medikamente, welche beispielsweise am Morgen eingenommen wurden, noch später am Tag Wechselwirkungen mit anderen Mitteln aufweisen können.

Umweltbezogene Sturzrisikofaktoren:
Stolperfallen wie Kabel, lose Teppiche, schlechte Beleuchtung oder falsches Schuhwerk zählen zu den häufigsten Auslösern. Mach am besten täglich einen kurzen Sicherheitscheck im Zimmer: Suche nach Stolperfallen wie herumliegenden Kabeln und Objekten und prüfe die Rutschfestigkeit der Schuhe der Bewohner*innen.

Zusätzlich zu den drei Hauptrisikofaktoren bergen freiheitsentziehende Maßnahmen paradoxerweise ebenfalls eine große Sturzgefahr, weswegen der Expert*innenstandard von deren Einsatz – außer in absoluten Ausnahmefällen – abrät. Durch die stark eingeschränkte Bewegungsfreiheit kommt es nämlich meist zu Muskelschwund. Du kannst dem durch aktivierende Pflege und Mobilitätsübungen mit deinen Bewohner*innen entgegenwirken – nach ärztlicher Absprache natürlich.

Die fünf Ebenen der Sturzprophylaxe – So setzt du den Expert*innenstandard richtig um!

Der Expert*innenstandard zur Sturzprophylaxe gliedert sich in fünf zentrale Ebenen. Jede davon umfasst Vorgaben zur Struktur, zum Ablauf (Prozess) und zum angestrebten Ergebnis – damit Maßnahmen in der Praxis nachvollziehbar und wirksam sind.

Ebene 1 – Einschätzung des Sturzrisikos:
Pflegekräfte mit Fachkenntnis sollten das Sturzrisiko regelmäßig einschätzen – idealerweise mit einem standardisierten Assessment und regelmäßigem Screening der Patient*innen.

Ebene 2 – Intervention der Einrichtung:
Die Pflegeeinrichtung entwickelt Verfahrensregeln zur Sturzprophylaxe. Dabei erstellt die Pflegefachkraft einen individuellen Maßnahmenplan mit Einzelinterventionen für jede pflegebedürftige Person in der Einrichtung. Beispiele dafür sind körperliches oder motorisches Training, Niedrigbetten oder Hüftprotektoren.

Ebene 3 – Beratung, Schulung und Information:
Pflegeeinrichtungen sind verpflichtet, Schulungsangebote bereitzustellen. Fachkräfte informieren Bewohner*innen und Angehörige gezielt über Sturzrisiken und zeigen praktische Maßnahmen zur Vorbeugung auf. Sie dokumentieren außerdem die Informationen, sodass diese für alle Beteiligten jederzeit zugänglich sind.

Ebene 4 – Durchführung und Koordination:
Du und deine Kolleg*innen setzen nun alle Maßnahmen mithilfe von Pflegefachkräften in die Tat um. Die planmäßige Umsetzung der Maßnahme fördert die sichere Mobilität der Patient*innen.

Ebene 5 – Auswertung und Analyse:
Du und deine Pflegekolleg*innen bewerten, wie wirksam die bisherigen Maßnahmen waren – z. B. anhand von Häufigkeit, Auslösern und Folgen der Stürze. Diese Informationen fließen in die weitere Planung ein. Ziel ist es, Prävention messbar und wirksam zu gestalten. Außerdem fertigt ihr nach jedem Sturz Protokolle zur Dokumentation an. Für diese fordert der Expert*innenstandard folgende Angaben:

• Einrichtung, Datum, Zeit und Ort des Sturzes
• gesundheitliches Befinden und Aktivität unmittelbar vor dem Sturz
• unmittelbare physische und psychische Folgen
• unmittelbar eingeleitete Folgemaßnahmen

Mit Verantwortung gegen das Sturzrisiko

Stürze haben viele Ursachen – von Umweltfaktoren über die Gesundheit bis hin zur Medikation der betreuten Person. Als Pflegekraft ist es daher wichtig, alle relevanten Aspekte im Blick zu behalten: Achte auf Veränderungen im Gesundheitszustand und bei der Medikation, dokumentiere Stürze sorgfältig im Sturzprotokoll und stimme dich mit dem Team zu geplanten Maßnahmen ab. Behalte auch mögliche Gefahrenquellen auf der Station im Auge. Ein gewisses Restrisiko bleibt zwar immer, mit Umsicht und Verantwortungsbewusstsein aber lässt sich die Sturzgefahr deutlich senken.

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