09 Nov 2023

Insolvente Pflegeheime: Warum gehen so viele gerade bankrott?

Insolvente Pflegeheime: Mann im Anzug zeigt seine leere Geldbörse
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Pleitewelle in der Altenpflege, Immer mehr Insolvenzanträge in der Pflege… Die Schlagzeilen sind wöchentlich voll von Meldungen zu Schließungen von Pflegediensten, Heimen oder Krankenhäusern. Der Strom an Pleitemeldungen hört nicht auf und gefühlt werden es immer und immer mehr Pflegeunternehmen, die betroffen sind. Aber was genau ist der Grund dafür, dass es gerade jetzt so ein präsentes Thema ist?

Immer mehr große Träger in der Pflege gehen 2023 pleite

Die alarmierende Pleitewelle in deutschen Pflegediensten hat in den letzten Monaten besorgniserregende Ausmaße erreicht. Die Existenz vieler Pflegedienste steht auf dem Spiel und die Branche schlägt Alarm. Die Gründe für diese dramatische Entwicklung sind vielschichtig und betreffen verschiedene Regionen Deutschlands. Anfang 2023 verkündete die Pflegeheimgruppe Curata Care (36 Pflegeheime) die eigene Insolvenz. Es folgten weitere große Anbieter wie Convivo (62 Pflegeheime), Hansa (24 Pflegeheime), Novent (16 Pflegeheime) und die Dorea-Familie (76 Pflegeheime). 

Ein Blick auf die bisherigen Großinsolvenzen des Jahres macht aber deutlich, dass bisher hauptsächlich Pflegeheime von der Insolvenzwelle betroffen sind. Pflegedienste machen „nur“ etwas 12% der Insolvenzen aus.

Was bedeutet es, wenn ein Pflegeheim insolvent geht?

Wenn ein Pflegeheim insolvent geht/Insolvenz anmeldet, bedeutet dies, dass die finanziellen Verbindlichkeiten des Pflegeheims die verfügbaren Mittel übersteigen. Insolvenz kann verschiedene Konsequenzen haben, darunter die Möglichkeit, dass das Pflegeheim geschlossen wird oder in die Verwaltung eines Insolvenzverwalters übergeht. Dies kann Auswirkungen auf die Bewohner*innen und Mitarbeiter*innen haben, da die Kontinuität der Pflegeleistungen und Arbeitsverhältnisse gefährdet ist. In solchen Fällen werden üblicherweise Maßnahmen ergriffen, um die Interessen der Bewohner*innen zu schützen und alternative Pflegemöglichkeiten sicherzustellen. Das ist aber alles andere als einfach: Oftmals benötigen 50-100 Patient*innen über Nacht einen neuen Pflegedienst. Die gesamte Übernahme aller Patient*innen ist in so kurzer Zeit quasi unmöglich.

Die Tarifpflicht trieb die Insolvenz von Pflegediensten voran

Schon seit Jahren klagen Träger über Personalnot und Kostendruck. Jetzt zeigen sich die Konsequenzen. Für Pflegebedürftige verschlimmert das die eigene Situation: Ambulante Dienste kündigen Verträge, nehmen keine neuen Patient*innen mehr auf – denn der Kostendruck ist zu hoch. Auch aufgrund der Tariftreue. Ein Beispiel dafür war die „Sozialstation Aura“ im Landkreis Main-Spessart. 60 Patient*innen wurden hier versorgt, dann kündigte der Gesellschafter 2022 mehreren Personen. Der Grund: Mehr Sachkosten durch die seit September 2022 geltende gesetzliche Tarifpflicht. Für manche Pflegedienste bedeutete das gestiegene Personalkosten von bis zu 30%. Bei einem Lohnkosten-Anteil von in der Regel 75% hat das viele Dienste in finanzielle Not gebracht. Ohne eine schnelle Refinanzierung durch den Staat ist die Insolvenz da für viele vorprogrammiert gewesen.

Wo können Pflegedienste bei drohender Pleite Kosten einsparen?

Um bei Insolvenzgefahr Kosten zu sparen, sollten Pflegedienste pauschale Vergütungssätze nicht akzeptieren, sondern mit Kassen verhandeln. Zusätzlich könnten sie kurzfristig Kapital über Vorfinanzierung beschaffen. Interne Prozesse sollten optimiert werden, beispielsweise durch effizientere Routenplanung, gezielten Einsatz von Fachkräften und strukturierte Büro-Organisation. Zudem ist eine Überprüfung und Optimierung der Abrechnungsprozesse ratsam, um Zeit für nicht abgerechnete Tätigkeiten zu reduzieren. Diese Maßnahmen könnten Pflegediensten helfen, finanzielle Engpässe zu überwinden und Insolvenz zu vermeiden.

Die Lawine rollt: Weitere Schließungen werden folgen

Innerhalb der Branche werden schon längst weitere Schließungen diskutiert. Ulrike Hahn, Bereichsleiterin Senioren und Reha bei der AWO Unterfranken vermerkte in einem Interview mit dem Bayrischen Rundfunk, dass weitere Schließungen folgen werden: „Zunächst die kleinen Dienste, die privaten Träger, die einfach nicht mehr so lange durchhalten. Aber mittelfristig wird es auch große Träger treffen.“ Auch für sie sind die Gründe klar: Personalnot und Kostendruck.

Auch das Kliniksterben schreitet voran – es fehlt Personal

Nicht nur die vielen Schließungen von Pflegediensten, sondern auch das Kliniksterben in Deutschland ist ein ernstes Problem, das sowohl gesundheitspolitische als auch soziale Folgen hat. Das Verlagern, Privatisieren oder Fusionieren von Kliniken verschlechtert unsere medizinische Versorgung erheblich. Darunter leiden besonders die ländlichen Regionen.

Eine neue Studie, veröffentlicht im Magazin PFLEGEMARKT REPORT, enthüllt den Hauptgrund für das alarmierende Kliniksterben in Deutschland – den akuten Fachkräftemangel. Der Fachkräftemangel betrifft eben nicht nur die Pflegekräfte, sondern gleichermaßen auch Ärzt*innen. Die steigende Anzahl älterer Menschen und die zunehmende Komplexität der medizinischen Versorgung stellen die Kliniken vor enorme Herausforderungen. Doch es fehlt an ausreichendem Personal, um diesen Anforderungen gerecht zu werden. Die Folgen sind gravierend: Überlastete Pflegekräfte und ärztliches Personal, längere Wartezeiten für Patient*innen und eine sinkende Qualität der medizinischen Versorgung.

Aktuelle Liste insolventer Pflegedienste in 2023

Wenn euch dieses Thema mehr interessiert und ihr euch weiter mit der Insolvenzwelle beschäftigen möchtet, so hat pflegemarkt.com eine gute Übersicht geschaffen: Schließungen und Insolvenzen in der Pflege 2023

Quellen
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