23 Nov 2021

Sexuelle Belästigung in der Pflege: Was kann ich tun?

Pflegekraft verzweifelt auf dem Boden sitzend
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Laut einer Studie der Psychologin Claudia Depauli sind von 2980 befragten Pflegekräften bereits 67% der Pfleger*innen belästigt worden. Eine weitere Studie der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege mit rund 1600 befragten Pflegekräften ergeben erschreckende Zahlen. Mehr als 90% geben an, bereits Opfer von verbaler Gewalt gewesen zu sein. 70% sollen sogar Opfer von körperlicher Gewalt geworden sein. Die wenigsten dieser Übergriffe werden zur Anzeige gebracht. Warum sexuelle Belästigung in der Pflege so ein wichtiges Thema ist und was Du dagegen tun kannst, erfährst Du hier. 

 

Warum so viele Pflegekräfte Opfer von sexueller Belästigung werden

In der Pflege kommt es immer wieder zu Situationen, die eine sexuelle Belästigung begünstigen. Pflegerische Tätigkeiten, wie zum Beispiel das Waschen, bringen eine gewisse Intimität mit sich, die von manchen Patient*innen ausgenutzt wird. Insbesondere bei Pflegekräften, die noch in der Ausbildung sind, fehlt oft der nötige Respekt. Ältere Patient*innen fühlen sich ihnen gegenüber überlegen. Es gibt aber auch Patient*innen, die durch sexuelle Handlungen versuchen, einen Machtausgleich zwischen sich und der Pflegekraft herzustellen. Dadurch, dass sie auf die Pflege angewiesen, fühlen sie sich den Pflegekräften gegenüber unterlegen. Hinzu kommt, dass sich ältere, an Demenz erkrankte Menschen ihrem Verhalten oft gar nicht bewusst sind. Das macht eine sexuelle Belästigung, egal in welcher Form, zwar nicht zulässig, ist aber ein Umstand der beachtet werden sollte.

Frau mit pläuschiger Jacke hat ihr Gesicht in den Händen versteckt

Was wird gegen sexuelle Übergriffe getan und was muss noch getan werden

Durch die intimen Tätigkeiten ist es schwierig eine klare Grenze zu ziehen zwischen Berührungen die nicht zu vermeiden sind und solchen die eine sexuelle Belästigung darstellen. Vor allem für jüngere Pflegekräfte ist es schwer dies richtig zuzuordnen. Hier mangelt es an einer ausreichend umfassenden Ausbildung in diesem Themenbereich. Während das Wohlbefinden der Patient*innen dauerhaft thematisiert wird, wird über die Befindlichkeit der Pflegekräfte wenig bis gar nicht gesprochen, obwohl diese genauso wichtig ist.

Oft wird eine klar Konfrontation mit dem Täter von den Opfern vermieden. Teilweise, weil sie in der jeweiligen Situation zu überfordert sind, teilweise aber auch aus Angst als überempfindlich zu gelten. Auch die Befürchtung, den Job zu verlieren, schwingt hier mit, weil wenige Institutionen dazu bereit sind, Kunden zu verlieren auch wenn diese ein Fehlverhalten an den Tag legen.

Der richtige Weg wäre es bereits in der Ausbildung über das unschöne Thema zu berichten und die angehenden Pflegekräfte auf eine solche Situation angemessen vorzubereiten. Für bereits ausgelernte Pflegekräfte gibt es einige Angebote. Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege hat sich dem Thema angenommen und bietet Fortbildungen und Informationsmaterial an. Institutionen müssen den Schritt in die richtige Richtung gehen und nicht nur die Teilnahme an solchen Fortbildungen unterstützen sondern auch selber aktiv werden.

Hand wählt eine Telefonnummer auf einem Telefon

Was kannst Du tun, wenn Du Opfer von sexueller Belästigung wirst

Du solltest dir auf jeden Fall deiner Rechte bewusst sein. Sexuelle Belästigung ist eine ernstzunehmende Straftat und sollte dementsprechend geahndet werden. Nimm Dein eigenes Unbehagen also unbedingt ernst und sprich darüber – mit Kolleg*innen, deinen Vorgesetzten oder Freunden. Wirst Du sexuell belästigt dann kannst Du sogar Schadensersatz verlangen. Weil sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz als Arbeitsunfall gewertet werden kann, muss Dein Betrieb bei Notwendigkeit die Kosten für eine ärztliche Behandlung übernehmen.

Der deutsche Ärztinnenbund stellt ein Faltblatt mit den wichtigsten Informationen zu sexueller Belästigung in der Pflege zur Verfügung. Außerdem gibt es diverse Anlaufstellen, wie zum Beispiel das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“, an die Du dich wenden kannst. Wichtig ist, dass du auch mit deinen Vorgesetzten und Kolleg*innen über den Vorfall sprichst, damit gemeinsam eine Lösung gefunden werden kann.

Fakt ist, dass sexuelle Belästigung in der Pflege definitiv eine Rolle spielt und nicht als unwichtig abgetan werden sollte. Für den Schutz von Pflegekräften muss, insbesondere in der Aufklärung, noch einiges getan werden.

Quellen:

Bibliomed-pflege: https://www.bibliomed-pflege.de/sp/artikel/24000-stopp-ich-moechte-das-nicht

Stern: https://www.stern.de/gesundheit/unterschaetztes-berufsrisiko–warum-pflegekraefte-so-haeufig-opfer-sexueller-uebergriffe-werden-9275544.html

Spiegel: https://www.spiegel.de/panorama/pflege-zwei-krankenschwestern-erzaehlen-warum-sexuelle-belaestigung-zu-ihrem-berufsalltag-gehoert-a-55cf4dbe-f6b3-4e4d-8ace-7fce7ebdeb23

core.ac.uk: https://core.ac.uk/download/pdf/16427374.pdf

Gleichbehandlungsgesetz (AGG) (2014): § 3, Abschnitt 3, 4. Antidiskriminierungsstelle des Bundes, 11018 Berlin, 8. Auflage

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