24 Aug 2023

Schlechter Brandschutz in der Pflege – ein unterschätztes Risiko?

Symbolbild: Brandschutz in Pflegeeinrichtungen: Krankenhaus mit Feuerlöscher
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Gerade ist es wieder passiert: In der Paracelsusklinik in Langenhagen (Region Hannover) hat es gebrannt. Tragischerweise kam für eine Person jede Hilfe zu spät: Eine 52-Jährige ist den Flammen zum Opfer gefallen. Die Brandursache ist noch unklar. Leider ist das kein Einzelfall. Laut des bvfa (Bundesverband Technischer Brandschutz e.V.) gab es allein im letzten Jahr in Deutschland 176 Brände in sozialen Einrichtungen. Dabei kamen 17 Menschen ums Leben und knapp 300 wurden verletzt – teilweise auch schwer. Die erschreckenden Zahlen haben sich dieses Jahr weiter verschärft: Bis zum 21. August wurden bereits 118 Brände registriert, die 23 Tote forderten und 168 Verletzte. Besonders Alten- und Pflegeheime sind stark betroffen und somit über 730.000 pflegebedürftige Menschen (Stand 2020). Der Blick ins Ausland zeigt, wie es besser laufen könnte und wo Deutschland Nachholbedarf hat.

Risiko in Alten- und Pflegeheimen hoch

Bricht ein Brand in einer Pflegeeinrichtung aus, muss schnell gehandelt werden: Feuer entdecken und melden, Menschen in Sicherheit bringen, Brand löschen. Das stellt gerade soziale Einrichtungen vor eine große Herausforderung. Hier müssen viele Menschen in kürzester Zeit evakuiert werden, die auf Hilfe angewiesen sind. In Krankenhäusern betrifft das zum Beispiel Patient*innen, die eigentlich nicht transportfähig sind. In Alten- und Pflegeheimen steht man vor anderen Hindernissen: Alte Menschen sind oft körperlich und geistig eingeschränkt, können nicht aus eigener Kraft aus den Räumlichkeiten fliehen und verstehen vielleicht nicht (mehr), dass es sich um einen Notfall handelt. Im schlimmsten Fall wehren sie sich vielleicht sogar noch oder es bedarf langen Erklärungen, für die keine Zeit ist. Dazu kommt, dass sich dort viele hilflose Menschen auf wenig Fläche konzentrieren und sich die Flammen schnell ausbreiten können. Auf dem Personal und den Rettungskräften lastet in solchen Gefahrensituationen eine enorme Verantwortung. In kürzester Zeit breiten sich die giftigen Rauchgase im Gebäude aus und bis die Feuerwehr eintrifft, kann es schon für den ein oder anderen zu spät sein.

Tipps für Pflegekräfte im Brandfall

Im Fall von Langenhagen wurde das Personal der Paracelsusklinik für sein umsichtiges und vorbildliches Verhalten gelobt. Aber was heißt das genau? 

Hier die fünf wichtigsten Verhaltensregeln für Pflegekräfte im Brandfall:

1. Manuell Alarm auslösen, falls vorhandene Brandmeldesysteme nicht reagieren
2. Ruhe bewahren, um Panik zu vermeiden
3. Bewohner*innen so schnell wie möglich evakuieren
4. Türen beim Verlassen eines Raumes schließen, um die Ausbreitung von Rauch und Flammen zu verlangsamen und den Fluchtweg zu sichern
5. Fluchtwege kennen und nutzen

Wichtig: Jedes Pflege- und Altenheim sollte eine*n Brandschutzbeauftragte*n beschäftigen, der oder die sich alle drei Jahre fortbilden und das vorhandene Wissen auffrischen muss. Diese Person hat auch die Aufgabe, die Pflegekräfte regelmäßig in Brandschutz- und Evakuierungsverfahren zu schulen, damit sie im Ernstfall angemessen reagieren können.

Fühlt ihr euch gut auf einen Brand vorbereitet?

Brandursachen – von Defekten bis Unachtsamkeiten

Brände in Alten- und Pflegeheimen entstehen häufig, wenn…

  1. …Elektrogeräte oder Heizdecken defekt sind.
  2. …mit Zigaretten oder Kerzen fahrlässig umgegangen wird.
  3. …Brandstiftung vorliegt.

Interessant: Die Tageszeit der Brände variiert von Alten- zu Pflegeheim. In Pflegeheimen brechen eher tagsüber Feuer aus, in Altenheimen mehr als die Hälfte nachts.

Sprinkleranlagen können im Brandfall Leben retten

Immer mehr Länder vertrauen auf automatische Löschanlagen, wie zum Beispiel Sprinkleranlagen. Sie können einen Brand bereits in der Entstehungsphase bekämpfen und erleichtern somit die Evakuierung. Dass sich der Einsatz von Sprinkleranlagen in Seniorenheimen lohnt, liegt laut bvfa schon seit 2017 auf der Hand. In dem Jahr wurde eine Studie der National Fire Protection Association (NFPA) in den USA durchgeführt. Das Ergebnis fiel sehr positiv aus: Die Sterblichkeitsrate konnte durch den Einsatz der wasserbasierten Löschanlagen um 82 Prozent gesenkt werden. Auch wurden nur noch halb so viele Menschen verletzt und der Sachschaden konnte ebenfalls um die Hälfte reduziert werden. Nicht nur die USA setzen automatische Löschanlagen ein, um Bewohner*innen in Altenheimen zu schützen, sondern auch Länder wie Australien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Norwegen und Schweden. Ob das auch eine Lösung für Deutschland wäre?

Kritische Stimmen zum Thema Sprinkleranlagen

Während der bvfa Sprinkleranlagen empfiehlt, sieht der TÜV Süd davon ab. Die automatischen Löschanlagen seien für Heime weniger geeignet, „da sie erst dann in Aktion treten, wenn die Person in dem betreffenden Raum womöglich durch die Rauchentwicklung bereits bewusstlos oder gestorben wäre.“ Dort sollte eher auf Brandmeldeanlagen und ausreichende Löschmittel in Form von Handfeuerlöschern gesetzt werden.

Föderalismus behindert bundeseinheitliche Standards

Wie so oft, wird der Föderalismus auch beim Thema Brandschutz zum Problem. In jedem Bundesland gibt es andere Brandschutzbestimmungen, an die sich soziale Einrichtungen halten müssen. Bundeseinheitliche Standards fehlen, jeder kocht seinen eigenen Brei. Bei Alten- und Pflegeheimen kommt noch etwas hinzu: Sie gelten als sogenannte „ungeregelte Sonderbauten“ und unterliegen somit keinen speziellen Auflagen bezüglich Bauausführung, Anlagentechnik und Organisation. 

Brandschutzmaßnahmen, die getroffen werden sollten

Der betriebliche Brandschutz besteht aus vier Säulen, wovon drei regeln, welche Maßnahmen vor einem Brand getroffen werden sollten. Zum vorbeugenden Brandschutz zählen der bauliche, anlagentechnische und organisatorische Brandschutz. Die vierte Säule – abwehrender Brandschutz – dient der unmittelbaren Bekämpfung eines Brandes.

Diagramm mit Informationen zu den vier Säulen des Brandschutzes

Optimierung im Brandschutz ist nötig – aber wie?

Klar ist: In sozialen Einrichtungen werden umfangreichere Brandschutzmaßnahmen benötigt, als bisher zum Einsatz kommen. So fordert der bvfa, dass die Brandschutzrichtlinien auf Bundesebene vereinheitlicht, baurechtliche Vorschriften modernisiert werden und auch dass Alten- und Pflegeheime ab einer bestimmten Größe als Sonderbauten eingestuft werden sollen.

Stand: 2023

Welche Brandschutzmaßnahmen werden bei euch getroffen?

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