„Schwierige“ Angehörige kennt wohl jede Pflegekraft. Aber warum sind manche der Angehörigen eigentlich so anstrengend? Was steckt hinter ihrem Verhalten und wie kann ich als Pflegekraft Konfliktsituationen am Besten lösen?
Pflege ist keine reine Dienstleistung
Das Problem: Die Pflegerische Arbeit wird von vielen als eine Art Dienstleitung wahrgenommen. Angehörige sind oft zu fordernd, kontrollierend und dominant und stellen noch dazu die Kompetenzen der Pflegekräfte in Frage.
Was sind die Gründe für Konflikte mit Angehörigen?
Den Grund für dieses Verhalten sollte man sich jedoch immer vor Augen halten: Die Angehörigen sorgen sich nur um ihre Liebsten und wollen das Beste für sie. Vielleicht kommt auch noch dazu, dass sie ein schlechtes Gewissen haben, weil sie die Pflege nicht selber übernehmen können. Nimm die Sorgen und Ängste der Angehörigen immer ernst, auch wenn sie für dich vielleicht nicht immer plausibel wirken. Überforderung kann auch ein einfacher Grund für dieses Verhalten sein: Wenn es beispielsweise im Zimmer nach Urin riecht, weil der/dem Patientin/Patienten ein Missgeschick geschehen ist, dann empfinden sie das nicht nur als unhygienisch, sondern wissen auch nicht, was sie tun sollen. Dass solche Situationen ganz alltäglich sind, ist ihnen vielleicht auch gar nicht bewusst. Die übliche Reaktion bei Überforderung: Einen Schuldigen finden.
Die richtige Kommunikation kann viele Probleme lösen
Wenn du also mit Angehörigen in einer solchen Konfliktsituation bist, ist die richtige Kommunikation besonders wichtig. Auch wenn du in deinen Augen vielleicht gar keinen Fehler gemacht hast, entschuldige dich und frage, ob die Person nicht wissen möchte, wie es dazu gekommen ist. Erkläre deine Situation, damit dein Gegenüber Verständnis entwickeln kann. Viele Konflikte entstehen aus Missverständnissen und können so ganz einfach geklärt werden. Schlage auch eine Lösung vor, wenn es zu einer Situation gekommen ist, die vielleicht öfter vorkommen könnte – z.B. wenn du in der Tourenpflege arbeitest, der/die Patient*in vorher unerwartet mehr Pflege benötigt hat und du deshalb zu spät gekommen bist.
Austausch und Interesse zeigen hilft auch
Wenn Angehörige Kritik an dir äußern, dann fühle dich nicht gleich angeklagt. Versuche herauszufinden, was genau das Bedürfnis deines Gegenüber ist und sprich dieses an. So zeigst du, dass du Verständnis für die Kritik hast und gewillt bist, es nächstes mal besser zu machen.
Um Wertschätzung durch die Angehörigen zu erlangen kann es auch helfen, sie indirekt in den Pflegeprozess mit einzubinden. Sprich mit den Angehörigen über deine Möglichkeiten und Grenzen bei der Arbeit, informiere sie und frage aktiv nach Wünschen, Fragen oder Erfahrungen. Zeige Interesse an ihnen und dem/der Patienten/Patientin und erfahre Dinge aus dem Leben vor der Pflegebedürftigkeit. So entsteht eine Bindung. Sie können auch kleine Pflegeaufgaben übernehmen, welche in einem vorausgehenden Gespräch festgelegt werden sollten.
Lass nicht das schlechte Gewissen außer Acht
Das Angehörige ein schlechtes Gewissen haben könnten, haben wir ja schon kurz angesprochen. Dieses kann sich dann darin äußern, dass Angehörige bei einem Besuch enorm viel kritisieren: „Warum liegt kaum noch Wäsche im Kleiderschrank meiner Mutter? Ich wollte sie gerade umziehen und habe nichts gefunden!“ Als Pflegekraft denkt man schnell, dass Angehörige nun auch schlecht von einem denken. Gedanken wie „Sie vertraut mir nicht“ oder „Sie denkt ich kümmere mich nicht gut genug“ etc. kommen dann auf. Unter Beachtung des schlechten Gewissens kann man aber plötzlich ganz anders denken. Dann wird einem bewusst: Vielleicht hat sie ein schlechtes Gewissen, weil sie ihre Mutter in ein Heim gegeben hat? Vielleicht wollte sie ihrer Mutter einfach nur was Gutes tun, hat es nicht geschafft und schämt sich nun? Oder wollte sie mir sogar einfach nur etwas Arbeit abnehmen? Fast alle Angehörige besitzen ein schlechtes Gewissen und handeln deswegen manchmal sehr anklagend. Nimm dir das nicht zu sehr zu Herzen.
DAS SOLLTEST DU AUSSERDEM BEACHTEN
- Wusstest du, dass pflegende Angehörige wesentlich häufiger Depressionen haben als gleichaltrige nicht-pflegende Personen? Deshalb sind sie oft ausgebrannt und erschöpft, was wiederum die Konflikte mit der Pflegekraft fördert.
- Wenn Angehörige plötzlich in die Position des Pflegenden gelangen, kann sie das schnell überfordern. Oft haben sie vorübergehend die Pflege selbst übernommen, für sie eine sehr schwere Aufgabe. Dafür wollen sie unterbewusst auch mal ein Lob hören. Sprich deine Anerkennung ruhig aus.
- Auch Angehörige sind Experten! Du hast zwar dein Examen, sie aber kennen ihre Eltern schon ihr Leben lang. Suche also die Kooperation und den Austausch. Vielleicht erfährst du auch so etwas, das dir bei deiner Pflege helfen kann.