Young Carers: Eine halbe Million Kinder und Jugendliche pflegen ihre Angehörigen
Ca. 480.000 Kinder und Jugendliche in Deutschland pflegen Eltern, Geschwister oder andere Angehörige von zuhause aus. Die Dunkelziffer ist höchstwahrscheinlich noch viel höher. Die Aufgaben reichen hier von gewöhnlichen Haushaltshilfen, bis hin zur medizinischen Versorgung, die in vielen Fällen eigentlich professionell überwacht werden müsste. Doch die Hilfsangebote zu diesem Thema sind spärlich bis gar nicht vorhanden. Warum erhalten die sogenannten „Young Carer” keine vernünftige Unterstützung?
Was sind Young Carer?
Als Young Carers werden junge Pflegende bezeichnet, die noch nicht die Volljährigkeit erreicht haben und ein Familienmitglied, welches körperlich oder psychisch erkrankt, behindert oder suchtkrank ist, pflegen und in der medizinischen Versorgung unterstützen. Dabei übernehmen die jungen Helfer*innen Aufgaben wie kochen, putzen oder einkaufen aber auch die Betreuung von Geschwistern, Dokumente ausfüllen, Rezepte einlösen oder Verbände anlegen und Spritzen geben. Darüber hinaus sind Young Carers auch selbst einer hohen psychischen Belastung ausgesetzt. Zum Einen spenden sie ihren Angehörigen häufig Trost und lernen selbst im jungen Alter, ihre eigenen Gefühle nach hinten zu stellen und zum Anderen büßen sie jedoch oft einen Teil ihrer Kindheit oder Jugend ein, da sie weniger Zeit für sich selbst haben und sich große Sorgen um ihre Liebsten machen.
Eine Studie des Zentrums für Qualität in der Pflege hat ergeben, dass 5% der Jugendlichen, im Alter zwischen 12 und 17, mindestens einen Angehörigen pflegen. Weitet man noch das Alter auf 10 -19 aus, kommt man auf eine Zahl von ca. 480.000 jungen Pflegenden in Deutschland. Seit der Ergebnisse sind jedoch einige Jahre vergangen und so fällt die Zahl heute sicher noch viel höher aus.
„unsichtbare Kinder” fallen hinten über
In den meisten Berichten oder Statistiken werden Young Carers nicht berücksichtigt und so fallen sie oft hinten über, ohne dass man dem Problem wirklich entgegen tritt oder mehr Hilfsangebote auf den Weg bringt. Oft werden Kinder oder Jugendliche nicht als Pflegende wahrgenommen, da die meisten nur an erwachsene Kinder oder Lebenspartner*innen denken. Dies führt letztendlich dazu, dass man die Kinder und Jugendlichen übersieht, sie gar „unsichtbar” werden und die Hilfsangebote nicht ausreichend auf die richtige Zielgruppe abzielt. Die Betroffenen fühlen sich oft so machtlos oder schämen sich wohlmöglich noch für ihre Situation, dass sie es von selbst nicht nach außen tragen.
Doch gänzlich alleine sind die Young Carers nicht. Es haben sich mehrere Projekte und Vereine über die letzten Jahre aufgetan, die den jungen Pflegenden zumindest eine Plattform bieten und etwas Entlastung bieten. Wir haben eine Infobox für euch vorbereitet, in der ihr bestimmte Anlaufstellen finden werdet.
Wir brauchen mehr politisches Engagement
Trotz der Hilfsangebote ist das Problem nicht aus der Welt oder bewältigt. Wir sprechen hier noch immer von Kindern und Jugendlichen, die ihre Kindheit und Jugend mit pflegerischen Tätigkeiten und enormer Verantwortung gepaart mit psychischer Belastung einwechseln. Wie machen das andere Länder?
In Großbritannien leben ca. 700.000 Young Carers. Ganz anders als in Deutschland haben die jungen Pflegenden hier vielfältige Unterstützungsmöglichkeiten. Sie werden sowohl von der Öffentlichkeit als auch der Politik wahrgenommen und aktiv unterstützt. So gibt es beispielsweise den jährlichen Young Carers Awareness Day. Noch viel wichtiger: Seit 2014 haben Young Carers außerdem konkrete gesetzliche Rechtsansprüche und können aus verschiedenen Maßnahmen und Angeboten wählen.
Warst oder bist du selbst ein Young Carer?