31 Mai 2024

Wie können Pflegeeinrichtungen queerfreundlicher werden?

Symbolbild - Wie können Pflegeeinrichtungen queerfreundlicher werden: Person hält Pride Flagge und lässt sie im Wind wehen.
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„Bei uns im Pflegeheim gibt es keine queeren Bewohner*innen.“ – Eine Aussage, der viele Pflegekräfte vermutlich zustimmen würden, obwohl sie oftmals nicht der Wahrheit entspricht. Denn: Statistisch gesehen gehören ca. fünf bis zehn Prozent der Gesamtbevölkerung zur LSBTIQ*-Community*. Es ist demzufolge sehr wahrscheinlich, dass sich unter den Bewohner*innen eines Pflegeheimes auch mindestens eine queere Person befindet.

Queere Senior*innen in Pflegeeinrichtungen haben häufig das Gefühl, sie müssten ihre Sexualität oder Geschlechtsidentität verstecken. Sie können nicht sie selbst sein und nur bedingt ein selbstbestimmtes Leben führen.

Würdet ihr sagen, eure Pflegeeinrichtung geht auf die Bedürfnisse queerer Menschen ein? Woran liegt es, dass viele queere Senior*innen so empfinden? Wir klären euch über die Gründe auf und zeigen euch, was Pflegeeinrichtungen tun können, um queerfreundlicher zu werden!

Queerness in der Pflege: Die aktuelle Situation

Queere Senior*innen mussten sich lange Zeit verstecken, aus Angst vor Diskriminierung und Ausgrenzung. Viele von ihnen sind mittlerweile pflegebedürftig und verspüren eine ähnliche Angst, wenn es um ihr Coming-Out in einer Pflegeeinrichtung geht. Diese Angst ist häufig darauf zurückzuführen, dass ihre bisherigen Begegnungen mit Pflegekräften und Ärzt*innen oftmals stark von Diskriminierung und Ablehnung geprägt waren. Es ist also nicht verwunderlich, dass sie sich schwertun, offen mit ihrer Sexualität oder ihrem Geschlecht umzugehen. Wenn sie sich dann in ihren Pflegeeinrichtungen auch noch abkapseln und zurückziehen, kann dies oft Depressionen oder andere psychische Krankheiten zur Folge haben.

Pflegekräfte wissen häufig nicht, welche Bedürfnisse queere Menschen besitzen und welchen Herausforderungen sie sich Tag für Tag stellen müssen. Darunter leidet ihre pflegerische Versorgung. Sie fühlen sich nicht richtig gesehen und akzeptiert. Auch der Mangel an queeren Freizeitangeboten, queerfreundlichen Richtlinien oder Unterstützungsangeboten in vielen Pflegeheimen zeigt, dass sich die Pflegebranche zu wenig mit diesem Thema beschäftigt.

Um queeren Senior*innen ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen, ist es wichtig, ihre Bedürfnisse zu erkennen. Nur so können Fachkräfte sie angemessen pflegerisch betreuen. Wenn ihr euch nun fragt, was genau sich in eurer Pflegeeinrichtung ändern sollte, damit ihr eine angemessene Pflege für queere Senior*innen gewährleisten könnt, kann zunächst eine Selbsteinschätzung hilfreich sein.

Selbsteinschätzung für Pflegeeinrichtungen: Der VielfALT-Scan

Mit dem VielfALT Scan könnt ihr euch einen Überblick darüber verschaffen, inwiefern eure Pflegeeinrichtung queeren Menschen eine gute Pflegeversorgung bieten kann. Der Fragebogen enthält 24 Kriterien, mit denen ihr ermitteln könnt, in welchen Bereichen eurer Einrichtung Handlungsbedarf besteht. Der VielfALT-Scan ist hier kostenlos verfügbar.

Tipps für die Pflege-Praxis

Da Pflegekräfte in direktem Kontakt mit den Patient*innen stehen, haben diese natürlich einen bedeutenden Einfluss darauf, wie wohl und sicher sich queere Senior*innen mit ihrer Sexualität und ihrer Geschlechtsidentität in ihrem Pflegeheim fühlen.

Schon ein paar kleine Dinge können dazu beitragen, dass queere Bewohner*innen sich gesehen und akzeptiert fühlen.

  • Wissen aneignen: Den ersten Schritt, den Pflegekräfte gehen können, ist, sich allgemein mit dem Thema „Queerness“ oder auch Stichworten wie „Geschlecht“ oder „Sexualität“ auseinanderzusetzen. Denn Geschlechtsidentitäten gehen weit über „männlich“ und „weiblich“ hinaus und es gibt deutlich mehr Sexualitäten als nur „Heterosexualität“. Sich mit diesen Themen zu beschäftigen, kann dazu beitragen, ein Bewusstsein und auch ein Verständnis für Angehörige der LSBTIQ*-Community zu schaffen.
  • Sensibler Umgang: Außerdem ist es wichtig, keine unbedachten Kommentare abzugeben oder unsensible Fragen zu stellen. Vielen, vor allem älteren queeren Personen, fällt es schwer, über diese Themen zu sprechen, da sie oft ihr Leben lang verurteilt und diskriminiert wurden. Außerdem sollten Pflegekräfte darauf achten, nicht einfach anzunehmen, ein älterer Bewohner hätte mit Sicherheit eine Ehefrau oder eine ältere Bewohnerin wurde gerade sicherlich von ihrer Schwester besucht. Pflegekräfte sollten eher vage Kommentare oder Fragen äußern. Anstatt zu sagen “Hattest du eine schöne Zeit mit deiner Frau?” kann eine Pflegekraft einen Bewohner fragen “Hattest du eine schöne Zeit mit deinem Besuch?”.
  • Sprache: Auch die Art und Weise, wie Pflegekräfte queere Heimbewohner*innen ansprechen, kann beeinflussen, wie sie sich fühlen. Pflegekräfte sollten deshalb darauf achten, eine gendersensible Sprache zu verwenden.
  • Kleine Gesten: Pflegekräfte bzw. -einrichtungen können ebenfalls durch kleine Zeichen, z.B eine Regenbogenfahne in den Aufenthalts- oder Eingangsbereichen offen kommunizieren, dass sie für Vielfalt und Toleranz stehen.
  • Diskriminierung nicht zulassen: Wenn Besucher*innen, andere Bewohner*innen oder sogar Kolleg*innen respektlose Anmerkungen gegenüber queeren Personen äußern, sollten Pflegekräfte eingreifen und deutlich machen, dass Homophobie und Intoleranz nicht geduldet werden. Jeder Mensch hat es schließlich verdient, mit Respekt behandelt zu werden.
  • Kooperationen: Pflegeeinrichtungen können außerdem mit queeren Initiativen und Verbänden zusammenarbeiten, um beispielsweise Veranstaltungen für Heimbewohner*innen zu organisieren. So gehen sie aktiv auf die Bedürfnisse von queeren Senior*innen ein, wodurch diese sich akzeptiert und gut integriert fühlen.
  • Für Bewohner*innen da sein: Pflegekräfte sollten ebenfalls im Auge behalten, wie es queeren Bewohner*innen geht. Sie sollten zuhören, wenn Bewohner*innen Redebedarf haben. Selbst wenn eine Pflegekraft das Gefühl haben sollte, sie kann der*dem Bewohner*in in einer Sache nicht weiterhelfen, kann diese ihr*ihm anderweitig Hilfe holen. Es gibt z.B. spezielle Beratungsangebote oder Selbsthilfegruppen für queere Personen.

Fortbildungen für Pflegekräfte

Mittlerweile gibt es viele Ressourcen, die zur Schulung von Pflegekräften im Hinblick auf kultursensible und queere Pflege genutzt werden können.

Die Marthin-Luther-Universität Halle Wittemberg hat unter Leitung von Prof. Dr. Gabriele Meyer ein „Fortbildungspaket mit Coaching-Konzept zur Öffnung der Altenhilfeeinrichtungen für die Zielgruppe LSBTIQ*“ veröffentlicht. Es besteht aus 13 Modulen, die einzeln oder nacheinander durchgearbeitet werden können und kann im Internet kostenlos heruntergeladen werden.

Im Rahmen des Modellprojektes „Queer im Alter“ entstand das „Praxishandbuch zur Öffnung der Altenhilfeeinrichtungen für LSTBIQ*“. Das Handbuch kann ebenfalls zur Fort- und Weiterbildung verwendet werden und ist kostenlos verfügbar. Hier geht es zum Download.

Materialien zum Download

Anmerkungen:

*LSBTIQ* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und queere Menschen

Leben in eurer Pflegeeinrichtung queere Senior*innen?

Quellen
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