Pflegekräfte stehen vor der anspruchsvollen Aufgabe, Menschen mit Demenz zu betreuen – eine Aufgabe, die meist noch komplexer wird, wenn es sich um queere Personen mit Demenz handelt. Queere Demenzkranke haben oft besondere Bedürfnisse, die eine einfühlsame und individuell angepasste Pflege erfordern. Wir dürfen nicht vergessen, dass queere Senior*innen, die an Demenz erkrankt sind, in einer Zeit aufwuchsen, in der Queerness als Krankheit angesehen wurde. Queere Menschen, die ihre Sexualität offen gelebt haben, wurden diskriminiert, abgelehnt und oftmals strafrechtlich verfolgt.
In diesem Blogbeitrag beleuchten wir die besonderen Herausforderungen, denen Pflegekräfte bei der Betreuung von LSBTIQ*-Personen mit Demenz begegnen. Wir geben euch Ratschläge, die euch dabei helfen können, eine respektvolle und angemessene Pflege für sie zu gewährleisten.
Wie zeigt sich Demenz?
Wenn über mehr als sechs Monate anhaltende oder fortschreitende Denk-, Gedächtnis- oder Orientierungsschwierigkeiten auftreten, kann von Demenz gesprochen werden. Diese kognitiven Beeinträchtigungen erschweren den Alltag erheblich und können zu Stimmungsschwankungen und Verhaltensänderungen führen. Zu den häufigen Symptomen gehören auch eine verringerte Urteilsfähigkeit, Sprach- oder Erkennungsstörungen sowie Probleme bei bestimmten Alltagsprozessen oder der Verwendung von Gegenständen.
Das Langzeitgedächtnis kann ebenfalls Lücken aufweisen, sodass Demenzkranke oft nahe Verwandte oder langjährige Freund*innen nicht mehr als diese wahrnehmen. Die Ausprägung einer Demenz ist von Person zu Person unterschiedlich. Sie hängt stark vom Charakter, den Lebenserfahrungen und der aktuellen Lebenssituation der betroffenen Person ab. Die am häufigsten auftretende Demenzerkrankung ist Alzheimer.
Mit fortschreitender Erkrankung kann es vorkommen, dass Betroffene inkontinent werden oder die Körperpflege nicht mehr selbstständig bewältigen können. In ausgeprägteren Stadien der Demenz ist pflegerische Unterstützung meist unvermeidlich.
Herausforderungen für Pflegekräfte
Pflegekräfte stehen bei der Betreuung von queeren demenzkranken Menschen vor besonderen Herausforderungen, denn deren Bedürfnisse und Lebenserfahrungen unterscheiden sich meist erheblich von denen nicht-queerer Demenzkranker. Nachfolgend schildern wir ein paar Szenarien, die bei queeren Demenzkranken des Öfteren auftreten können.
- Fremde Personen: Queere Demenzkranke berichten manchmal von Personen, die ihrer Familie unbekannt sind. Diese könnten aus einem früheren Doppelleben oder der Zeit vor der Familiengründung stammen.
- Verwirrung hinsichtlich ihrer Beziehungen: Projektionen früherer Beziehungen auf aktuelle Partner*innen sind genauso üblich, wie das Vergessen von aktuellen Partner*innen. So kann ein schwuler Mann vergessen, dass er aktuell mit einem Mann liiert ist und der festen Überzeugung sein, er sei immer noch mit seiner früheren Ehefrau verheiratet.
- Negative Erfahrungen und Misstrauen: Frühere Traumata oder prägende Erlebnisse können dazu führen, dass queere Demenzkranke Pflegeeinrichtungen als „Besserungsanstalten“ wahrnehmen. Außerdem begegnen sie Pflegepersonal aufgrund vergangener negativer Erfahrungen mit Gesundheitspersonal oft mit Misstrauen.
- Vergessen der eigenen Identität: Manchmal vergessen queere Demenzkranke ihre eigene Sexualität/Geschlechtsidentität. Zudem kann es vorkommen, dass sie sich oder andere unfreiwillig, aufgrund der Krankheit, outen. Transidente Demenzkranke, die sich einer Geschlechtsangleichung unterzogen haben, könnten dies vergessen. Ihren eigenen, veränderten Körper zu sehen, kann Verwirrung und Unsicherheit bei ihnen auslösen.
Was sollten Pflegekräfte im Umgang mit queeren Demenzkranken beachten?
Der Umgang mit queeren demenzkranken Menschen erfordert besondere Aufmerksamkeit und Feingefühl. Wenn Pflegekräfte bestimmte Aspekte beachten, können sie die Lebensqualität der Betroffenen erheblich verbessern und ihnen ein selbstbestimmteres Leben ermöglichen.
Um dies zu erreichen, ist es wichtig, dass Pflegekräfte die Bedürfnisse queerer Demenzkranker erkennen und ihre Umgebung an sie anpassen. Sie sollten dafür sorgen, dass der Schutz der Privatsphäre von queeren Patient*innen innerhalb der Pflegeeinrichtung gewährleistet ist. Eine respektvolle und empathische Haltung gegenüber queeren Demenzkranken ist genauso wichtig wie Sensibilität im Umgang und der Schutz vor Diskriminierung.
Außerdem sollten Pflegekräfte aufmerksam sein und Warnsignale im Optimalfall direkt erkennen. Insbesondere queere Senior*innen ohne direktes soziales Umfeld neigen dazu, sich zu isolieren. Dies kann zu Depressionen oder anderen psychischen Krankheiten führen. Daher sollten Pflegekräfte ihnen bei Problemen zur Seite stehen und ihnen Zugang zu Beratungs- und Unterstützungsangeboten ermöglichen.
Was können Pflegeeinrichtungen tun?
Ein inklusives Leitbild sowie die Zusammenarbeit mit queeren Initiativen und die Einführung von Diversity-Beauftragten können ein respektvolles und diskriminierungsfreies Umfeld fördern und den queeren Demenzkranken das Gefühl geben, gesehen und akzeptiert zu werden.
Pflegekräfte und -einrichtungen können zudem versuchen, die Pflegepläne bestmöglich an ihre Bewohner*innen anzupassen und ihnen, wenn möglich, ein Mitspracherecht bei der Pflegeplanung einzuräumen.
Außerdem tragen regelmäßige Weiterbildungen und die Auseinandersetzung mit den spezifischen Herausforderungen im Umgang mit queeren demenzkranken Menschen zur Sensibilisierung bei. Das Praxishandbuch zur Öffnung der Altenhilfeeinrichtungen für LSBTIQ* enthält beispielsweise ein Modul, dass das Thema „Queerness und Demenz“ behandelt. Das Handbuch ist hier kostenlos zum Download verfügbar.
Weitere Informationen zu diesem Thema können zudem der Broschüre „Demenz und queer – Vielfalt denken, sehen, ermöglichen!“ des Kompetenzzentrums Demenz in Schleswig-Holstein entnommen werden.
Anmerkungen:
*LSBTIQ* steht für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*, Inter* und queere Menschen
Leben in eurer Pflegeeinrichtung queere Demenzkranke?
Quellen
- wegweiser-demenz.de: https://www.wegweiser-demenz.de/
- demenz-sh.de: https://www.demenz-sh.de/
- awo.org: https://awo.org/