Abschiebung von Pflegepersonal – Ein Thema, das uns alle betrifft

Seit Jahren leidet die Pflegebranche unter massivem Personalmangel und hohem Kostendruck – eine Herausforderung, die Pflegekräfte täglich spüren. Statistiken zeigen, wie ernst die Situation ist: Laut der Gewerkschaft ver.di fehlen aktuell rund 110.000 zusätzliche Pflegekräfte, um eine bedarfsgerechte Versorgung sicherzustellen. Und die Aussichten sind noch alarmierender: Bis 2030 wird ein zusätzlicher Bedarf von 300.000 Stellen erwartet.
Doch trotz dieser dramatischen Zahlen werden weiterhin Pflegekräfte, die das System dringend braucht, in ihre Heimatländer abgeschoben. Wir haben in unserer PKM-Community nachgefragt: Welche Erfahrungen habt ihr mit der Abschiebung von Kolleg*innen gemacht? Die Antworten haben uns überrascht.
Wie einfach ist es für ausländische Pflegekräfte in Deutschland?
Um in Deutschland als Pflegekraft eingestellt zu werden, müssen ausländische Fachkräfte (und ihre Arbeitgeber) strenge Anforderungen erfüllen. Ein entscheidender Faktor ist das Herkunftsland der Pflegekräfte, da viele der notwendigen Schritte davon abhängen. Pflegekräfte aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, dem Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz erhalten in der Regel eine automatische Anerkennung ihrer Qualifikation. Schwieriger wird es für Pflegekräfte aus Drittstaaten: Sie müssen ein Anerkennungsverfahren durchlaufen.
Für die Berufsausübung in Deutschland sind Deutschkenntnisse (mindestens B2), eine gesundheitliche Eignung und ein Führungszeugnis erforderlich. Drittstaatsangehörige benötigen zudem ein Visum – entweder für eine vollständig anerkannte Qualifikation oder zur Durchführung einer Anpassungsqualifizierung. Förderprogramme wie Bildungsgutscheine und das Integrationsmanagement unterstützen Arbeitgeber*innen und Fachkräfte bei der Rekrutierung. Wichtig: Eine Rekrutierung aus WHO-Ländern ist, außer durch die Bundesagentur für Arbeit, nicht erlaubt.
Alles hinter sich lassen, nur um nichts mehr vor sich zu haben
Micheli de Farias Felipe kam aus Brasilien nach Deutschland, ließ ihre Familie zurück und träumte von einem besseren Leben. Eine bayerische Klinik warb sie an, finanzierte einen Sprachkurs, doch am neuen Arbeitsplatz gab es kaum Unterstützung. Als sie sich krankmeldete, drohte die Klinikleitung mit Rückschickung. Nach ihrer Kündigung verlangte ihre Klinik 7.000 Euro für Flug und Sprachkurs zurück – Geld, das ihr Gehalt nicht hergab. Statt ein besseres Leben zu bekommen, kämpfte die 41-jährige Pflegekraft mit sprachlichen Hürden, mangelnder Einarbeitung und finanziellen Forderungen. Nach ihrer Kündigung fand eine Agentur der Brasilianerin eine Stelle bei Hannover und finanzierte den Umzug. Ihre jüngeren Töchter konnte sie nachholen, doch hohe Schulden und fehlende Unterstützung belasten sie. „Ich liebe meine Arbeit, aber vieles muss sich verbessern“, sagt sie. Der menschliche Blick auf Pflegekräfte fehle oft.
Probleme wie unzureichende Integration und Unterstützung kennt auch der Arbeitsforscher Christian Lebrenz. Zehn Prozent der Pflegekräfte in Deutschland kommen aus dem Ausland, doch oft fehlt es an Begleitung. Die Klinik verweist auf geprüfte Verträge, doch die strukturellen Defizite bei der Integration bleiben ungelöst.
Eine positive Geschichte, die berührt
Im November schlug der Träger des Heims Haus Wilstedt Alarm, da zehn Mitarbeitende aus Kolumbien (ein Drittel der Belegschaft) von Abschiebung bedroht waren. Der Widerstand war groß – eine Angehörige startete eine Petition, die fast 84.000 Menschen unterstützten.
Das Thema erlangte überregionale Aufmerksamkeit, und die drohende Abschiebung konnte abgewendet werden. Acht von ihnen beginnen eine Ausbildung zur Pflegeassistent*in oder Pflegefachkraft, während eine Person zum Koch ausgebildet wird.
Erfahrungen unserer Community
Wir haben unsere PKM-Community nach ihren eigenen Erfahrungen gefragt. Nur 13 % der Befragten gaben an, dass Kolleg*innen schon einmal abgeschoben wurden – eine erfreulich niedrige Zahl. Von diesen 13 % wussten 50 % nicht, aus welchem Grund die Abschiebung erfolgte, 39 % hatten lediglich Gerüchte darüber gehört, und nur 11 % wurden die genauen Gründe mitgeteilt.
Außerdem wurde bei 25 % der Abschiebungen aktiv dagegen vorgegangen – ein ermutigendes Zeichen für Solidarität. Glücklicherweise gab es in unserer Community nur wenige Fälle, in denen Kolleg*innen abgeschoben wurden.
Warum brauchen wir ausländische Fachkräfte?
Eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verdeutlicht, dass das deutsche Pflegesystem ohne ausländische Pflegekräfte wohl nicht bestehen könnte. Bereits jede sechste Pflegekraft stammt aus dem Ausland, und seit 2022 wird das Wachstum in der Pflege ausschließlich von ausländischen Pflegekräfte getragen, während die Zahl deutscher Pflegekräfte weiter sinkt. Zudem nimmt der Anteil älterer Beschäftigter stark zu.
Fazit: Mit ausländischer Unterstützung den Personalmangel bewältigen
Der Pflegekräftemangel lässt sich nicht sofort lösen, doch die Einbindung ausländischer Fachkräfte ist ein wichtiger Schritt. Sie hilft, Stress und Überlastung im Gesundheitssystem zu reduzieren.
Zum Abschluss möchten wir die berührende Reflexion eines unserer Follower*innen mit euch teilen:
„Jeder Mensch verdient ein Leben mit Rechtsstaat und Sicherheit, egal welchen Beruf er ausübt.“
Was denkt ihr darüber? Schreibt uns eure Meinungen und Erfahrungen gerne in die Kommentare – wir freuen uns auf euer Feedback!
Wie sind eure Erfahrungen mit ausländischen Kolleg*innen?